Historische Stätten im Stadtgebiet
Mit diesen Orten in Kassel verbindet sich die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in besonderer Weise.
Die geheime Staatspolizei Kassel
Im Jahre 1933 befand sich die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Kassel im damaligen Polizeipräsidium, später in einem eigenen Gebäude in der Wilhelmshöher Allee 2, nach dessen Bombardierung in Baracken in der Goetheanlage, in Breitenau / Guxhagen und am Panoramaweg.
Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) war eine Machtsäule des NS-Staates. Sie verhaftete, verhörte und misshandelte tausende Unschuldige. Sie verantwortete die Deportationen der Juden, Sinti und Roma und anderer zu Volksfeinden erklärter Menschen in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Ihre Angehörigen begingen schwerste Verbrechen, besonders an ausländischen Zwangsarbeitern, darunter Polen, von denen zahlreiche wegen Beziehungen mit einer Deutschen öffentlich exekutiert wurden. Allein in den letzten Märztagen 1945 ermordeten ihre Kommandos in Guxhagen, auf dem Wehlheider Friedhof, am Bahnhof Wilhelmshöhe und an anderen Orten in der Stadt Kassel mehr als einhundertzwanzig ausländische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.
Die Angehörigen der Staatspolizeistelle Kassel haben sich für die von ihnen veranlassten Verbrechen nach dem Krieg nicht vor deutschen Gerichten verantworten müssen. Es hat – bis auf einen Fall wegen willkürlich angeordneter Tötungsverbrechen – keine systematische Ermittlung und Anklageerhebung gegen sie gegeben. Zumeist beriefen sich die ehemals mächtigen Gestapo-Offiziere darauf, zur Ausführung von Befehlen höheren Orts verpflichtet gewesen zu sein.
Das Haus der Arbeiterwassersportler
Dieses Gebäude wurde von Arbeiterwassersportlern (heute WVC) in opfervoller Arbeit selbst errichtet und diente als Vereinshaus. 1933 beschlagnahmten die Nationalsozialisten das Haus und übergaben es dem SS-Pioniersturm, wodurch der Arbeitersportverein faktisch zerschlagen war. SS-Männer folterten hier 1933 auf bestialische Weise überzeugte Gegner aus den Reihen der Arbeiterbewegung, die in den Polizeiverhören standhaft geblieben waren.
1938 ging das Haus in den Besitz der Marine-Hitler-Jugend über.
Das Gewerkschaftshaus
Das Gewerkschaftshaus in der Spohrstraße wurde bereits am 7. März 1933 von einer großen Menge von Nationalsozialisten gestürmt und verwüstet. Die regionalen NS-Führer Roland Freisler und Karl Weinrich setzten sich an deren Spitze und erklärten das Gewerkschaftshaus für besetzt. Ein telegrafisches Hilfeersuchen Kasseler Gewerkschafter an den Reispräsidenten Paul von Hindenburg blieb folgenlos. Am 2. Mai 1933 besetzten SA- und SS-Angehörige erneut das Haus, beschlagnahmten die Akten und Bücher und hissten die Hakenkreuzfahne. Inhaftierung, Entlassung und/oder Misshandlung einzelner engagierter Gewerkschafter folgten. Die Freien Gewerkschaften wurden aufgelöst und blieben bis zum Ende des NS-Staates verboten.
Die Strafanstalt Wehlheiden
In der Strafanstalt Wehlheiden wurden in der Nazizeit zahlreiche Unschuldige aus politischen und rassischen Gründen inhaftiert: Gegner des Regimes, unerschrockene Kritiker, Helfer und Retter verfolgter Menschen.
Zum Tode Verurteilte wurden hier mit dem Fallbeil umgebracht. Gegen Kriegsende herrschten unerträgliche Lebensumstände angesichts einer hohen Überbelegung. Wer die Haftstrafe verbüßt hatte, war noch nicht frei; in vielen Fällen deportierte die Gestapo den gerade Entlassenen in ein Konzentrationslager.
Die Synagoge
Die im Jahre 1839 fertiggestellte Große Synagoge der Kasseler Jüdischen Gemeinde, stand in der Unteren Königsstraße. Im Mai 1933 gehörten der Gemeinde 2301 Mitglieder an, da zu diesem Zeitpunkt bereits viele Familien geflohen waren.
Am 7. November 1938 drangen Gewalttäter der NSDAP in die Synagoge ein, brachen den Thora-Schrein auf und steckten Gebetrollen und Kultgegenstände in Brand.
Die Stadtverwaltung ließ das unversehrt gebliebene Bauwerk kurz danach »abtragen«, um dort einen Parkplatz zu errichten. Die Gemeinde wurde zerschlagen.
Das Sammellager für die Deportationen
An dieser Stelle hatte die Kasseler Geheime Staatspolizei 1941 ein Auffanglager für Juden aus dem Regierungsbezirk Kassel eingerichtet. Von hier aus wurden sie zum Hauptbahnhof geführt und in das Ghetto Riga (9. Dezember 1941), in das Konzentrationslager Majdanek (17. Mai 1942) und in das Ghetto Theresienstadt (7. September 1942) deportiert. Man hatte ihnen erklärt, sie würden im Osten angesiedelt, um dort Pionierarbeit zu leisten.
Nur wenige überlebten.
Der Aschrottbrunnen
Als "offene, nicht heilende Wunde" ist der Aschrottbrunnen von Dr. Horst Hoheisel heute ein Ort der Erinnerung inmitten der Stadt. 1908 erbaute der Rathausarchitekt Karl Roth vor dem Rathaus einen 12 Meter hohen Brunnen. Er wurde von Sigmund Aschrott, einem erfolgreicher Kasseler Unternehmer aus deutsch-jüdischer Familie, der Stadt Kassel anlässlich des Rathausneubaus gestiftet.
Vom Schmuckstück zum Mahnmal
Am 9. April 1939 wurde die Brunnenanlage, diffamiert als "Judenbrunnen", durch nationalsozialistische Aktivisten zerstört. Kurz darauf ließ die Stadtverwaltung den Brunnen bis auf seine Sandsteinfassung abtragen. 1943 wurde das Brunnenbecken zum Blumenbeet, 1963 entstand ein Rathausbrunnen.
Im Jahr 1987 baute Dr. Horst Hoheisel die Pyramidenskulptur im Auftrag der Stadt Kassel nach und versenkte sie während der documenta 8 als verlorene Form spiegelbildlich in den Rathausvorplatz. So wurde die Pyramide zum Trichter, in den das Brunnenwasser geräuschvoll hinabstürzt. Horst Hoheisel: "An dem Ort, wo einmal etwas war, kann ich den Verlust nur noch durch die Leere spürbar machen. Das eigentliche Denkmal ist der Passant, der auf dem Brunnen steht und darüber nachdenkt, weshalb hier etwas verlorenging." Der in den Boden versenkte Aschrottbrunnen soll als offene Wunde der Stadtgeschichte an erlittenes Unrecht erinnern und Mahnung sein.
Kunstwerk der documenta 2012
Horst Hoheisels Aschrottbrunnen, der 1987 in Kassel eingeweiht wurde, war 2012 ein Kunstwerk der dOCUMENTA (13). Das Modell, die dazugehörigen Zeichnungen und Fotografien wurden 1998 in die Kunstsammlung der Gedenkstätte Yad Vashem, Jerusalem, aufgenommen.
Die Bürgersäle
In der Oberen Karlstraße befand sich die Gaststätte »Bürgersäle«, die von SA und NSDAP als Versammlungslokal genutzt wurde. In den Kellergewölben misshandelten und demütigten die Nazis sozialdemokratische, gewerkschaftliche und kommunistische Gegner und Akademiker aus dem deutsch-jüdischen Bürgertum. Rechtsanwalt Dr. Max Plaut, den die Kasseler Nazi-Presse bereits vor 1933 diffamiert und beleidigt hatte, starb an den Folgen der eine Woche zuvor dort erlittenen Verletzungen am 31. März 1933.
"Am gleichen Tag wurde der Rechtsanwalt Dalberg in der schwersten Weise misshandelt, und zwar am gleichen Ort und in ähnlicher Weise wie Plaut" (Aus dem "Braunbuch" über Reichstagsbrand und Hitlerterror, Paris 1933).
Der Massenmord an den italienischen Kriegsgefangenen
Wenige Tage vor Ende des Krieges, am 31. März 1945, hatten sich italienische Kriegsgefangene aus einem verlassenen Güterzug Lebensmittel geholt, da sie keine Verpflegung erhalten hatten. Ähnliches hatten auch Deutsche zur selben Zeit getan. Ein Denunziant fand sich und meldete den Vorfall. Stunden später wurden 79 Unschuldige – ein Russe und 78 Italiener – von einem Kommando der Kasseler Gestapo auf dem Gelände des Bahnhofs Wilhelmshöhe ermordet.
Die Stadt Kassel war im Jahre 1944 (bis zum Kriegsende) von mehr als 200 Lagern, Unterkünften bzw. Behelfsunterkünften überzogen, in denen ca. 25000 ausländische Arbeiter und Arbeiterinnen hausen mussten.
Die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aus dem Ausland arbeiteten in der Industrie, im Handwerk, bei der Stadt, bei Baufirmen und bei Privaten. Im Druseltal hatte es ein Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald (1943-1945) gegeben.
Nach Kriegsende wurden die Leichen exhumiert und auf dem Friedhof Wehlheiden bestattet. Die drei aufgestellten Grabsteine verschwanden allerdings, der Verbleib ist unbekannt.
Zum Gedenken an die Kasseler Sinti und Roma
Die Sinti und Roma unterlagen im Nazistaat einer doppelten Verfolgung. Erstens galten sie als »fremdrassig«, und zweitens rechnete man sie pauschal zur Gruppe der »Asozialen«. Ab 1936 untersagte man ihnen das Umherziehen und die Ausübung ihrer traditionellen Berufe und sperrte sie schließlich in besondere Lager. In Kassel mussten die Sinti ab 1937 in einem bewachten, mit Stacheldraht umzäunten Lager auf der Wartekuppe in Niederzwehren leben, das sie nur zur Arbeit verlassen durften. Das abgelegene Gelände mit Tongruben und einer Ziegelei hatte im Ersten Weltkrieg als Kriegsgefangenen- und Seuchenlager gedient. Auf einem Teil des Geländes wurden nun die Sinti mit ihren Wohnwagen untergebracht. Um die Jahreswende 1939/40 wurden die Sinti von der Wartekuppe abtransportiert, wahrscheinlich in das KZ Buchenwald, und von dort aus weiter in die Vernichtungslager im Osten. Insgesamt fielen dem Völkermord über 500.000 Sinti und Roma zum Opfer.
Die Gedenktafel befindet sich im Ehrenhof an der Vorderseite des Rathauses in der Oberen Königsstraße 8, 34117 Kassel.
Soldaten zwischen Verweigerung und Widerstand
Ehrenmal in der Karlsaue
Die Kasseler Stadtverordnetenversammlung hat 1985 mehrheitlich beschlossen, eine Gedenktafel »zur Erinnerung an die Kasseler Soldaten, die sich dem Kriegsdienst für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft verweigerten und dafür verfolgt und getötet wurden«, aufzustellen.
Die Tafel wurde im Mai 1987 am Ehrenmal in der Karlsaue in Anwesenheit des Oberbürgermeisters eingeweiht. Voraussetzung war eine Dokumentation 1985 von Prof. Jörg Kammler über Kasseler Soldaten zwischen Verweigerung und Widerstand.
Die deutsche Militärjustiz verhängte im Zweiten Weltkrieg mehr als 22000 Todesurteile, davon noch einige nach der Kapitulation und dem Ende des Krieges.
Gegen das Vergessen
Im Stadtgebiet gibt es etliche Orte, an denen Mahnmale, Bauwerke oder künstlerische Arbeiten an die Verbrechen der Nazizeit erinnern. Sie alle sind Teil der zeitgenössischen Erinnerungskultur in Kassel.
Denk-Stein-Sammlung
Die „Denk-Stein-Sammlung“ ist ein Mahnmal, das in einem mehrere Jahre dauernden Prozess in Kassel gestaltet wurde. Zusammen mit Kasseler Schülerinnen und Schülern sowie mit Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Kassel hat Horst Hoheisel dafür über 1000 Steine zusammengetragen - für jeden der vielen, unter dem NS-Regime ermordeten Männer, Frauen und Kinder wurde jeweils ein Stein gestiftet.
Diese wurden anschließend mit einem Stück Papier umhüllt, auf dem der Name, die Adresse, das Geburts- und Deportationsdatum standen und teilweise noch weitere Daten aus dem Gedenkbuch »Namen und Schicksal der Juden Kassels 1933 – 1945« vermerkt wurden. Das Kunstwerk hält dazu an, den von Nationalsozialisten ermordeten Menschen zu gedenken, die vielleicht in die gleiche Schule gegangen sind, in der gleichen Straße gewohnt haben, oder genauso alt waren wie die heutigen Besucherinnen und Besucher der Arbeit.
Der Standort des Kunstwerks befindet sich in der Haupthalle des Kulturbahnhofs, am Übergang zu den Gleisen, von denen aus ab 1941 Kasseler Bewohnerinnen und Bewohner jüdischen Glaubens zu tausenden in das Ghetto von Riga deportiert wurden. Durch seinen direkten inhaltlichen Bezug zu diesem historischen Ort entfaltet die „Denk-Stein-Sammlung“ hier eine besonders eindrückliche Wirkung.
Dr. Horst Hoheisel erklärte zu seiner Arbeit: „Üblicherweise schafft ein Künstler ein Denkmal als Auftragsarbeit allein. Die Denk-Stein-Sammlung wurde von über tausend meist jungen Menschen aus Kassel zusammengetragen. Als Künstler war ich nur der Katalysator, der diesen Erinnerungsprozess angestoßen und begleitet hat. Jeder der über tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat mit der Stiftung seines/ihres Denk-Steins eine jeweils eigene kleine Erinnerungsgeschichte erlebt. Die auf dem alten Gepäckwagen zusammengetragenen einzelnen Steine mit ihren individuellen Erinnerungsgeschichten fügen sich zu einem kollektiven Erinnerungszeichen zusammen.
Schon 1988 habe ich dieses kollektiv zusammengetragene Denkmal in Kassel angestoßen und 1994 wurde die nun von der Stadt zusammen mit der Denk-Sten-Sammlung erworbene große Fotoarbeit und eine der Lagerkisten mit Denk-Steinen aus Kassel im Jüdischen Museum New York in der von James E. Young kuratierten Ausstellung: "Holocaust Memorials in History" gezeigt.“
Die „Denk-Stein-Sammlung“ wurde 2019 auf Initiative von Kulturdezernentin Dr. Susanne Völker von der Stadt Kassel zusammen mit einer vom Künstler geschaffenen großformatigen und nachbearbeiteten Fotografie erworben. Dafür konnten auf Beschluss der Ankaufskommission Mittel aus der städtischen Kunstsammlung verwendet werden. Um das Mahnmal zu erhalten und in seiner Wirkung für die Zukunft zu sichern, hat der Künstler eine Plexiglasverkleidung als dauerhaften Schutz für das Kunstwerk hergestellt. Die regelmäßige Reinigung der „Denk-Stein-Sammlung“ wird durch die Stadt Kassel veranlasst.
Fürstengarten, Ehrenmal für die Opfer des Faschismus
Inmitten des Fürstengartens findet man, versteckt hinter hochragenden Büschen und Sträuchern, ein etwa 7 Meter hohes Steinrondell. Gesäumt wird der Eingang von zwei Säulen. Die linke Figur hält ihre Hände vor der linken Schulter ineinander geschlagen. Rechterhand ist nur schwer eine Figur erkennbar, denn diese trägt ein langes Gewand und hat die Hände vor dem Gesicht verschränkt und den Kopf zur Brust geneigt.
Gesichert ist das Rondell durch ein abschließbares Tor. Sofort ins Auge stechend sind die Schriftzüge:
Den Vernichteten
1933 – 1945
Die Lebenden rufe ich
Die Toten beklage ich
(Friedrich Schiller)
Drei Stufen führen ins das Mahnmal hinab, in dessen Mitte sich ein im Durchmesser ca. 3 Meter großer Bronze-Dornenkranz befindet. Auf der Steinmauer-Innenseite gegenüber des Eingangs ist ein weiterer Schriftzug zu lesen.
Der Tod erschreckte uns
Er war fürchterlich
Wir sahen
Nur nieder ins Grab
Ob er gleich uns führt zur Vollendung
Aus den Hüllen der Nacht hinüber
In der Erkenntnisse Land
(Friedrich Hölderlin)
Das Mahnmal wird nicht von einer Überdachung geschützt, es bietet die Möglichkeit in den freien Himmel zu sehen. In den Mauern sind Vorsprünge eingearbeitet, die zur Befestigung von Kränzen dienen. Entlang der Mauer schließt sich kreisförmig eine Sitzmöglichkeit an, die ebenfalls aus Steinen errichtet und ungefähr 70 cm hoch ist. Die Sitzfläche ist ca. 50 cm breit und läuft, ausgenommen im Eingangsbereich, kreisförmig entlang der Mauer. Hinter der Sitzfläche besteht die Möglichkeit Blumen zu pflanzen, denn hier sind keine Steine eingearbeitet.
Wendet man sich dem Ausgang zu, sind dort folgende Worte angebracht:
Seele Seele vergiss Sie nicht
Seele vergiss nicht die Toten
(Christian-Friedrich Hebbel)
Bedeutung
Das Mahnmal wurde mit der Widmung „Den Vernichteten“ in Kassel für die Opfer des Faschismus erbaut. Es soll diejenigen Kasseler Bürger ehren, die aus politischen, religiösen und rassistischen Gründen verfolgt wurden; insbesondere die KZ-Insassen, Bombenopfer und Soldaten, die gegen Gewalt und Diktatur für die Demokratie und den Frieden kämpften. „Das Denk- und Mahnmal soll in seiner gegenständlichen Erscheinung ein Sinnbild für die innere heroische Haltung der Widerstandskämpfer sein.“ (Zitat aus der Präambel der Ausschreibung des Wettbewerbes für ein Denk- und Mahnmal für die Opfer des Faschismus in Kassel).
Gedenkstele
In der Große Rosenstraße 22 in Kassel erinnert eine Gedenkstele an ehemalige jüdische Einrichtungen.
Auf einer Tafel wird an ein jüdisches Gemeindehaus erinnert, das bei dem schweren Luftangriff auf Kassel am 22. Oktober 1943 zerstört wurde. Es war zu Beginn der 1870er Jahre errichtet worden und beherbergte neben der Gemeindeverwaltung auch eine Volksschule, eine Bibliothek und ein Altenheim. Später entstand im Hinterhof ein Betsaal für streng gläubige Gemeindemitglieder.
Bei dem Pogrom am 7. November 1938 wurde das Gemeindehaus wie viele andere Gebäude jüdischen Lebens in Kassel geplündert und verwüstet. Seit Herbst 1939 war die Große Rosenstraße 22 ein sogenanntes „Judenhaus“, in dem die jüdische Bevölkerung aus Kassel und dem näheren Umland zwangsweise einquartiert wurde. Die letzten 79 Einwohnerinnen und Einwohner wurden am 7. September 1942 zuerst in das Ghetto und Durchgangslager Theresienstadt und dann in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Nur zwei von ihnen überlebten die Shoah.
Die Initiative für diese Erinnerungstafel geht zurück auf den Geschichtslehrer der Albert-Schweitzer-Schule, Boris Krüger, und die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Konzipiert wurde sie gemeinsam mit dem Stadtmuseum, dem Stadtarchiv und der Universität Kassel.
Gleis 13/14: Das Gedächtnis der Gleise
Gedenken an ein dunkles Kapitel der Geschichte
Zwischen 1941 und 1942 wurden jüdische Kinder, Frauen und Männer vom damaligen Kasseler Hauptbahnhof in das jüdische Ghetto von Riga, in das Konzentrationslager Majdanek, das Vernichtungslager Sobibor und in das Ghetto und KZ Theresienstadt deportiert. Etwa 2500 Menschen wurden vom Gleis 13 in drei Sonderzügen abtransportiert und Opfer des Nationalsozialismus. Ihnen soll nun an dem historischen Ort gedacht werden. Das von dem Künstler Dr. Horst Hoheisel entworfene Mahnmal mit dem Titel „Gleis 13/14 – Das Gedächtnis der Gleise“ erinnert an die deportieren und ermordeten Kasseler Juden.
Das Mahnmal wurde im Kulturbahnhof Kassel als Ort des Gedenkens von Oberbürgermeister Bertram Hilgen, Dr. Klaus Vornhusen, dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn AG für das Land Hessen, sowie Dr. Gunnar Richter, dem Leiter der Gedenkstätte Breitenau, eingeweiht worden. Es besteht aus 1007 Namen von Kasseler Juden, die auf 120 Metern neu verlegter Schienenstrecke eingraviert sind, sowie aus einer Gedenktafel. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel hatte im Januar 2014 angeregt, dass an dem ehemaligen Abfahrtsgleis der Züge eine angemessene Gestaltung zum Gedenken an die Deportationen erfolgen sollte. Mit dem von Dr. Hoheisel gestalteten Kunstwerk, das mit Unterstützung der Deutschen Bahn AG und der Förderung durch die Kasseler Sparkasse, die Henschel GmbH, Volkswagen Osnabrück und durch die Volkswagen Akademie Kassel realisiert werden konnte, soll nun an dem historischen Ort der deportierten und ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer gedacht werden.
Oberbürgermeister Hilgen bedankte sich bei den Wegbereitern und Mitgestaltern für die Realisierung des Projektes, das daran mitwirke, die Erinnerung an das Leid der im Nationalsozialismus deportierten Kasseler Mitbürger, an das Grauen dieser dunklen Zeiten wach zu halten. „Unser Dank richtet sich vor allem an den Künstler Dr. Horst Hoheisel sowie an die Gedenkstätte Breitenau. Die Stadt hat gern für dieses Projekt die Koordination übernommen und auch ihren Beitrag aus Mitteln des Kulturetats geleistet, damit das Mahnmal heute eingeweiht werden kann“, sagte er.
Erinnerung an die "Entgleisung" aller menschlichen Normen durch die Nationalsozialisten
"Alle Opfer haben das Recht auf die Erinnerung an ihren Namen, an ihre Identität, ihr Schicksal", erklärte Dr. Horst Hoheisel. "Dieses Gleis zur Erinnerung an die ‚Entgleisung‘ aller menschlichen Normen durch die Nationalsozialisten wird nie mehr befahren werden. Es ist jetzt ein Ort der Erinnerung. Die in die Schienen gravierten Namen sind so groß, dass man sie beim Abschreiten des Bahnsteigs gut lesen kann." "Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland ist und bleibt außerordentlich wichtig. Und es ist gut, dass gerade junge Leute, Auszubildende verschiedener Unternehmen, durch ihre Mitarbeit an dem Projekt auch das Nachdenken über das Thema Deportation in die Zukunft tragen. Ich bin der Stadt Kassel und den Partnern dieses Projekts daher dankbar für ihr vorbildliches Engagement. Die Deutsche Bahn verbindet mit dem Gedenken das Engagement gegen jegliche Form von Hass und Gewalt", so Dr. Klaus Vornhusen.
Dr. Gunnar Richter, Leiter der Gedenkstätte Breitenau: "Mit dem neugeschaffenen Denkmal von Horst Hoheisel ist ein eindrucksvoller Gedenkort entstanden, der an die deportierten und ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer erinnert. Wir wünschen uns, dass dieses Mahnmal von vielen Menschen als Ort der Erinnerung und des Gedenkens wahrgenommen und angenommen wird. Gleichzeitig möchten wir mit dem Blick auf die Geschichte auch dazu auffordern, gegenwärtigen Entwicklungen von Ausgrenzung, Diskriminierung, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten und sich aktiv für Menschenwürde, Gleichberechtigung, Toleranz und gegenseitige Achtung einzusetzen."
Zahlreiche Auszubildende und ihre Ausbilder, die an der Umsetzung des Kunstwerks mitwirkten, nahmen an der Veranstaltungen teil. Beteiligt waren Auszubildende der Deutschen Bahn am Verlegen der Gleise, von VW am Programmieren der Schrift, der Firma Henschel bei den Fräsarbeiten.
Mahnmal "Die Rampe"
Mahnmal für die Deportierten und Opfer des Holocaust und des nationalsozialistischen Regimes
Das Mahnmal besteht aus mehreren gesichtslosen Figuren aus Bronze, die aus einem Original-Waggon der Reichsbahn herausstürzen. Es erinnert an die Deportation und folgende Ermordung von Menschen – Juden und anderen – aus Kassel und die Verschleppung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in der NS-Zeit.
Der Campus Holländischer Platz befindet sich zum großen Teil auf einem ehemaligen Werksgelände der Firma Henschel, die in den Kriegsjahren massiv Zwangsarbeiter einsetzte.
Das Kunstwerk soll an Verbrechen zu erinnern, die auch an diesem Ort stattgefunden haben. Es fordert dazu auf, in einer Zeit großer Umbrüche wachsam zu bleiben und die Entwicklung der Stadtgesellschaft im Auge zu behalten.
Seit der Einweihung im Jahr 1985 hat das Mahnmal nichts an Aktualität eingebüßt. Die Rampe ist ein starkes Zeichen gegen Rechtsradikalismus und Neofaschismus, gegen Ausländerfeindlichkeit, gegen Antisemitismus und gegen Krieg und Gewalt. All das hat in unserer Stadt keinen Platz.
Hintergrund
Im Kunstwerk "die Rampe" hat E. R. Nele traumatische Kindheitserlebnisse verarbeitet. Die Tochter von documenta-Gründer Arnold Bode hatte während des 2. Weltkrieges von der Wohnung ihrer Großeltern in der Kasseler Fiedlerstraße täglich den Transport von Zwangsarbeitern beobachten können. Die in Viehwaggons zusammengepferchten Menschen, wurden auf das Gelände der ehemaligen Henschelwerke in Kassel transportiert.
Geschaffen wurde das Mahnmal für die Ausstellung "Stoffwechsel K18", die 1982 als kritische Ergänzung zur damaligen documenta 7 auf dem Henschel-Gelände stattfand. Auf Initiative von einigen Mitgliedern der Kasseler Hochschule wurde das Kunstwerk angeschafft und am 8. Mai 1985, dem 40. Jahrestag des Kriegsendes, auf dem Campus der Universität Kassel eingeweiht.
Nur wenige Tage nach der Aufstellung des Kunstwerks wurde die "Rampe" im Mai 1985 durch einen Brandanschlag zerstört. Eine Spendenaktion ermöglichte den Wiederaufbau und die erneute Einweihung 1987. Seitdem stand das Mahnmal an wechselnden Orten am Nordende des Campus Holländischer Platz, bevor es am 5. Oktober 2017 an seinem jetzigen – endgültigen - Standort eingeweiht wurde
über die Künstlerin lesen Sie hier:
Skulptur "Der Gefesselte"
Die Skulptur "Der Gefesselte" („Den Opfern der Gewalt“) des russischen Künstlers Vadim Sidur ist Anfang 2020 an ihrem neuen Standort in der Weinbergstraße unterhalb des "Ehrenmals für die Opfer des Faschismus" dauerhaft angekommen. Nach der Prüfung verschiedener Alternativstandorte hatte der Kunstbeirat der Stadt Kassel im November 2018 entschieden, dass dieser Platz die Skulptur in eine Landschaft der Erinnerungskultur sinnstiftend einbindet.
„Ich freue mich, dass wir für die Skulptur „Der Gefesselte“ diesen würdevollen Standort gefunden haben, an dem die Arbeit wirken und in angemessener Weise wahrgenommen werden kann. Dieses Kunstwerk mahnt uns, vergangener Gewalt zu gedenken und Gewalt in unserer Gesellschaft nicht hinzunehmen“, sagt Kulturdezernentin Susanne Völker.
Teil der documenta 14
Die Plastik „Der Gefesselte“ wurde 1974 von Dr. Gottfried Büttner der Stadt Kassel mit der Auflage geschenkt, dass sie an einem zentralen Ort in der Stadt Kassel stehe. Dies wurde in dem Schenkungsbrief der Kurhessischen Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft, die an der Finanzierung beteiligt war, festgehalten.
Bis zum Frühjahr 2017 in der Fußgängerzone Obere Königsstraße neben dem Café Alex situiert, war die Arbeit im Rahmen der documenta 14 auf Wunsch der künstlerischen Leitung temporär in der Nähe des Denkmals für Friedrich II. auf dem Friedrichsplatz platziert worden.
Wegen der Umbauarbeiten der Königsstraße erfolgte nach dem Ende der d 14 im Herbst 2017 die Umsetzung der Skulptur vor das AOK-Gebäude als ebenfalls lediglich temporären Standort.
Würdevolle Platzierung und Instandsetzung
Die Entscheidung über eine dauerhafte und würdevolle Platzierung wurde mit der Kurhessischen Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft sowie dem Kulturdezernat, der Erbin des Schenkers, weiteren beteiligten Ämtern und dem Kunstbeirat abgestimmt. Der Kunstbeirat als zuständiges Gremium der Stadt für Kunst im öffentlichen Raum hat schließlich den dauerhaften Standort am Weinberg ausgewählt und beschlossen.
Der Sockel der Plastik ist nach der letzten Umsetzung gereinigt und instandgesetzt worden, das bisherige Schild wurde auf die Stirnseite in Richtung Straße versetzt. Auch das Umfeld ist jetzt hergerichtet, zum Beispiel wurde eine dort üppig wachsende Eibe zurückgeschnitten, so dass eine angemessene Situation geschaffen ist.
Weitere Gedenkstätten
- Mahnmal für die Opfer des Faschismus im Murhard-Park an der Weinbergstraße. »Den Vernichteten 1933–1945« gewidmet.
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Gedenkstein für die Kasseler Juden - Die in hebräischer und deutscher Sprache verfasste Inschrift lautet: »Der Jüdischen Gemeinde in tiefer Trauer um die Opfer der Schreckensjahre 1933- 1945 gewidmet von der Stadt Kassel.
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Denkmal für die Zwangsarbeiter - Während des Zweiten Weltkrieges wurden hunderte ausländische Zwangsarbeiter, die bei den Luftangriffen ums Leben gekommen waren, auf dem Jüdischen Friedhof begraben. Im Jahre 1960 bettete man die Gebeine der Russen, Tschechen, Bulgaren, Polen und Rumänen auf den christlichen Friedhof in Bettenhausen auf der anderen Straßenseite um. In diesem Jahr errichtete der Bildhauer und Restaurator Heinz Wiegel das Mahnmal und die Gedenksteine mit den Namen der Toten.
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Der »Mahnende Engel« an der Brüderkirche - Vom Gesamtverband der evangelischen Kirchengemeinden in Kassel im November 1958 als »Erinnerungsmal an die Opfer der Bombenangriffe in Kassel« errichtet, geschaffen von Professor Kurt Lehmann.
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Gedenkstein für Adam von Trott zu Solz - Im Zusammenhang mit der Einweihung der »Adam-von-Trott-zu-Solz-Siedlung« am Warteberg wurde im Juni 1960 ein Gedenkstein für den Namensgeber der Siedlung enthüllt. Der Stein trägt den Satz »Er starb für die Freiheit«.
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»Gedenksteinsammlung« - Auf dem Kasseler Hauptbahnhof erinnert ein Gepäckwagen des Künstlers Horst Hoheisel an die Deportationen der Juden aus Kassel 1941 und 1942. In Kästen sind Erinnerungen von Kasseler Schülern und anderen Menschen an die Ermordeten deponiert.
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Gedenktafel für die Gestapo-Opfer - Auf dem Wehlheider Friedhof befindet sich die Gedenktafel, die an die zwölf am 30. März 1945 ermordeten Insassen der Strafanstalt Wehlheiden erinnert. Sie befindet sich neben der Gedenkstätte für die Opfer der Luftangriffe.