Nicolaus Ludwig Arnold, 1841 bis 1848

Kalt war es in Kassel 1844/45. Ein strenger Winter mitten in der Amtszeit von Nicolaus Ludwig Arnold (3.6.1798 bis 4.12.1886) brachte eine geschlossene Eisdecke auf die Fulda. Für viele war dies eine willkommene Gelegenheit, sich dort mit Schlittschuhlaufen, oder zumindest mit "Glieden" zu vergnügen.

Archivbild Nicolaus Ludwig Arnold

OB auf Abruf

Der Kasseler Küferzunft fiel dabei ein, dass ihre Kollegen einmal – vor 105 Jahren - auf der Eisdecke der Fulda ein großes Fass gezimmert hatten. So richteten die Fasshersteller im März 1845 zwischen Unterneustadt und Renthof auf der Eisfläche einen Werkplatz ein, zimmerten und hämmerten bei Tag und bei Fackellicht oder hellem Mondschein bis in die späte Nacht.

Tagsüber entwickelte sich um den Werkplatz ein volksfestartiges Treiben. Musik wurde gemacht, es gab etwas zu essen, man schwätzte miteinander. Sogar der Landesherr, Kurfürst Friedrich Wilhelm, kam mit seiner Gemahlin, um sich das Arbeiten und lustige Treiben anzuschauen.

Feierlicher Zug durch die Stadt

Die Küfer hatten Glück: Kurz bevor heftiges Tauwetter einsetzte, war das große Fass fertig gestellt und man beschloss, es keinem geringeren als dem Kurfürsten zu schenken, sicherlich auch unter dem Aspekt, dass Klappern bekanntlich zum Handwerk gehört. Am 28. März 1845 war es dann so weit. Das Fass wurde von der Fuldabrücke aus in feierlichem Zug durch die Stadt geführt, um es dem Kurfürsten zu überbringen. Voran ein Küfermeistersohn als Fahnenträger mit der rotweißen Landesfahne, dann eine 40-köpfige Musikkapelle, gefolgt von sechs Küferlehrlingen mit rotweiß umwickelten Reifen und dann auf vierspännigem Wagen das auf dem Eis der Fulda gezimmerte Fass, mit Girlanden reich verziert. Nun ging es allerdings nicht auf direktem Weg zum Palais des Kurfürsten, sondern erst einmal durch die Unterneustadt, dann durch die Altstadt zum Rathaus in der Oberen Karlsstraße. Hier verließ der Oberbürgermeister der Haupt- und Residenzstadt Kassel, Ludwig Arnold, sein Dienstzimmer und reihte sich in den Zug ein. Von stets wachsender, fröhlicher Zuschauermenge begleitet – auch von Fenstern und Balkonen aus verfolgten viele das Geschehen – erreichte der Zug schließlich das Palais des Kurfürsten am Friedrichsplatz ( heute Neubau des Kaufhauses Sinn-Leffers, der rote Sandstein - Portikus ist das einzige Überbleibsel des Palais). Oberbürgermeister Ludwig Arnold, Gildemeister Schäfer und die beiden ältesten Küfermeister namens Eisengarthen und König betraten nun das Palais und wurden zum Kurfürsten geführt. Hier ergriff der Oberbürgermeister das Wort, um den Wunsch der Küferzunft zum Ausdruck zu bringen, "dieses Faß Höchstdemselben unterthänigst zu verehren und in die kurfürstliche Kellerei abgeben zu dürfen".

Zum Schluss durfte ein – aus heutiger Sicht entsetzlich pathetisches - Treuebekenntnis zum Landesherrn nicht fehlen: "Geruhen demnach Eure Königliche Hoheit, dieses Werk, welches in der Frühlingswoche der Ostern auf der Eisdecke der Fulda verfertigt worden, als Erinnerung an die erlebte Seltenheit und als Denkmal anzunehmen, daß der Ablauf der Jahrhunderte die Liebe und Treue der Hessen für ihre erhabenen Regenten stets unverändert findet." Als Oberbürgermeister Ludwig Arnold diese nicht alltägliche Dienstpflicht zu erfüllen hatte, war der in Eschwege geborene Jurist bereits zweieinhalb Jahre im Amt. Dieses hatte er am 24. September 1842 angetreten als Nachfolger des populären Karl Schomburg, der am 4. Juli 1841 im Alter von 50 Jahren viel zu früh verstorben war. Aus Anlass des Dienstantritts Arnolds gab die Stadt ihrem neu gewählten Oberbürgermeister zu Ehren ein großes Festessen, bei dem – alter Tradition folgend – die der Stadt gehörenden prächtigen alten Silberpokale "wieder einmal kreisten". Es war die Zeit des Biedermeier, jener Zeit zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Märzrevolution des Jahres 1848. Dieser Name, ursprünglich eine humoristische Bezeichnung für einen genügsamen Spießbürger, hatte einer ganzen Epoche den Namen gegeben, obwohl diese doch überall in Deutschland, besonders aber in Kurhessen und in der Haupt- und Residenzstadt Kassel eine Zeit der Gärung und schwerer Auseinandersetzungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Art gewesen ist. So ist Oberbürgermeister Arnolds Tätigkeit nicht nur von biedermeierlicher Idylle und Festlichkeiten geprägt gewesen. Beherrschend war stets ein gewisses Spannungsverhältnis zu dem zu Selbstherrlichkeit tendierenden Kurfürsten.

Die Wahl zum Oberbürgermeister 1842 bedurfte laut Gesetz der Zustimmung des Kurfürsten. Allerdings gab dieser sie in diesem Fall nur unter der Bedingung, dass Arnold sich bereit erklärte, als bisheriger Landesbeamter jederzeit wieder in den Staatsdienst zurückzukehren, wenn der Kurfürst es für richtig hielt. Die städtischen Körperschaften, die den Oberbürgermeister gewählt hatten, erfuhren davon nichts.

Von dem Rückruf machte die kurfürstliche Regierung im Januar 1848 tatsächlich Gebrauch. Die Gründe dafür sind leider nicht bekannt, man kann nur vermuten, dass das Wirken des Oberbürgermeisters der konservativen Regierung mehr und mehr missfiel. Wider seinen Willen wurde Oberbürgermeister Ludwig Arnold praktisch amtsenthoben und zum Mitglied der kurhessischen Eisenbahndirektion ernannt. Schon in seiner Zeit als Oberbürgermeister hatte sich Arnold für die Schaffung von Eisenbahnlinien eingesetzt. Da aber der Landesherr vielen Bahnprojekten zumindest verzögernd, wenn nicht gar ablehnend gegenüberstand, blieb Arnold hier nicht lange. 1851 wurde er Mitglied der Direktion der Landeskreditkasse in Kassel, eine Tätigkeit, die er dann über ein Vierteljahrhundert ausübte. Ludwig Arnold starb in Kassel am 4. Dezember 1886.