Die Gesprächsreihe "Bildung im Gespräch" ist im Programm "Bildung integriert" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung angesiedelt. An diesem nimmt Kassel seit Herbst 2019 als eine von bundesweit 130 und hessenweit elf Kommunen teil. Bildung als kommunale Gemeinschaftsaufgabe verfolgt die Herstellung von Transparenz im Bildungsangebot, die Verbesserung der Bildungsteilhabe, den Ausbau der Vernetzung der Bildungsakteure und die Erarbeitung einer Datenbasis als gemeinsame Grundlage für Weiterentwicklungen bezogen auf das lebenslange Lernen (Bildungsmonitoring). „Bildung integriert“ ist im Amt für Schule und Bildung angesiedelt und wird zusätzlich aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und kommunalen Mitteln gefördert.
1. Gespräch: Digitale Bildung in Zeiten von und nach Corona
Was jahrelang kontrovers diskutiert und mit dem Digitalpakt im vergangenen Jahr endlich angestoßen wurde‐ das digitale Lehren und Lernen –, muss plötzlich durch die Corona‐Pandemie flächendeckend praktiziert werden.
Und nicht nur der Schul‐ und Unterrichtalltag hat sich verändert, sondern auch das, was sonst Kitas, Grundschulen und weiterführende Schulen als Lern‐ und Begegnungsorte ausmacht. Das soziale Lernen mit Gleichaltrigen und der Kontakt zu außerfamiliären Bezugspersonen war unterbrochen. Die Kernfamilie war auf einmal für alles und rund um die Uhr zuständig: Betreuung, Versorgung, Bildung.
Die Stadt Kassel startet die neue Gesprächsreihe „Bildung im Gespräch“ aus diesem Anlass mit dem Thema „Corona – die große Zäsur in der digitalen Bildung?“ Dabei sollen in Zukunft regelmäßig regionale Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen zu Bildungsthemen miteinander ins Gespräch kommen. Die Auftaktveranstaltung nutzt das Schuljahresende für eine Zwischenbilanz.
Studien bestätigten, dass bekannte Bildungsungleichheiten durch die Corona‐Pandemie noch einmal verschärft werden. Problematische Aspekte sind teilweise schlechte Rahmenbedingungen für das digitale Lernen – insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu geeigneter Hard‐ und Software und stabilem Internet, mangelnde Unterstützung durch die Eltern, aber auch fehlende Kompetenzen für den Einsatz digitaler Werkzeuge bei Lehrkräften und Lernenden. Zunehmend mehren sich Stimmen, die den langfristigen Auswirkungen der Einschränkungen auf Kinder und Jugendliche warnen. Deshalb steht die Öffnung zum Regelbetrieb von Kitas und Schulen ganz oben auf der politischen Agenda.
„Corona‐Pandemie könnte ungleichen Bildungschancen noch verstärken“
Die Erfahrungen aus den vergangenen Wochen – auch in Kassel – bestätigen dies. „Die Corona‐Pandemie könnte die ungleichen Bildungschancen noch verstärken“ bestätigt Jugend‐ und Bildungsdezernentin Ulrike Gote, „denn Kinder aus sozial und wirtschaftlich belasteten Haushalten brauchen ganz besonders die Förderung in Einrichtungen und Schulen. Viele von ihnen haben oft keinen geeigneten Arbeitsplatz zu Hause, kein digitales Endgerät wie Tablet oder Laptop für die Erledigung der Aufgaben im Distanzunterricht. Oft musste mit dem Smartphone improvisiert werden bei wenig stabilem Internetzugang. So entstehen Lerndefizite, die nur schwer wieder aufzuholen sind.“
In der ersten Gesprächsrunde geht es deshalb um den Austausch über die gewonnenen wertvollen Erfahrungen aus der Praxis zum digitalen Distanzlernen und um erste Perspektiven für die Zukunft des Lernens sowie den Fortgang der Umsetzung des Digitalpakts für Schulen in Kassel. Darüber spricht Doro‐Thea Chwalek, Mitarbeiterin in der Abteilung Bildungsmanagement und Integration im Amt für Schule und Bildung, mit folgenden Gästen: Ulrike Gote, Dezernentin für Jugend, Frauen, Gesundheit und Bildung; Bernd Heger, Leiter der Abteilung Schulentwicklungsplanung und IT an Kasseler Schulen; Dirk Nöding, pädagogischer Mitarbeiter des Übergangsmanagements der Stadt Kassel an der Offenen Schule Waldau; Madlen Fleck, Lehrerin an der Grundschule am Wall sowie David Bösl, Sprecher des Stadtschülerrats.
2. Gespräch: Digital bilden – Digital für alle
Mit einem Appell wirbt die Initiative „Digital für alle“ für mehr Anstrengungen, um die digitale Teilhabe aller Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung, Herkunft, Behinderung oder Einkommen nachhaltig zu stärken. Auch in Kassel beteiligten sich Bildungseinrichtungen zum Digitaltag am 18. Juni mit vielfältigen niedrigschwelligen Angeboten, die Zugang zu digitalen Technologien und das Erleben und Ausprobieren in den Mittelpunkt stellten.
Wie Bildung der digitalen Spaltung entgegenwirken kann, war Thema der neuen Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Bildung im Gespräch“ mit Heinz Dieter Hirth, Leiter des Medienzentrums Kassel und Lehrer an der Oskar‐von‐Miller‐Schule, Kai Ulrich Bißbort (Bathildisheim e.V.) verantwortlich für das PIKSL Labor in Kassel und Jenny Giambalvo‐Rode, Volkshochschule Region Kassel und hauptamtlich dort für den Programmbereich Sprachen zuständig. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Doro‐Thea Chwalek, Mitarbeiterin im Amt für Schule und Bildung.
„Digitale Bildung benötigt technische Ausstattung, geht aber viel weiter“, betont Ulrike Gote, Bildungsdezernentin der Stadt Kassel. „Digitalisierung verändert unseren Alltag und unser Berufsleben so tiefgreifend und rasant, dass Jede und Jeder in die Lage versetzt werden muss, sich souverän und sicher, selbstbewusst und selbstbestimmt in der digitalen Welt zu bewegen. Es liegt in unser aller Verantwortung, dass wir nicht den Blick auf diejenigen vernachlässigen, die den Zugang zu digitalen Technologien nicht haben.“
Wie Menschen sich informieren, einkaufen, lernen, miteinander kommunizieren, ärztlichen Rat einholen oder Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung in Anspruch nehmen – dafür brauchen sie digitale Kompetenzen. Um im digitalen Wandel die Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen und über die ganze Bildungskette von der frühkindlichen Bildung bis in die Erwachsenenbildung auszubauen, braucht es bedarfsgerechte Angebote in allen Bereichen der Bildung. Obwohl ein Großteil der Menschen in Deutschland zu den Onlinern gehört, können viele mit der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland nicht Schritt halten. Ein Sechstel (17 Prozent) empfindet das Tempo als zu schnell. Das ergab eine repräsentative Befragung von Menschen über 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Alle Bildungseinrichtungen sind daher gefordert, die digitale Transformation zu begleiten.
„Wir lernen immer weiter und auch viel voneinander und von Menschen, die unsere Angebote wahrnehmen“ war das Resümee der drei Gesprächsgäste. Sie wünschen sich noch mehr Vernetzung und Austausch mit anderen Bildungsanbietern darüber, wie die Förderung von digitaler Teilhabe für alle gelingen kann.
3. Gespräch: Offen für (Mehr) Sprache
In Kassel ist die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Kita, Schule und Jugendförderung schon lange Realität. Der kreative Umgang mit Vielfalt als Potenzial und eine gute Umsetzung von Sprachförderung – bei Kindern gemeinsam mit den Familien – bleiben eine Herausforderung.
Bildungssprachliche Fähigkeiten bilden die wesentliche Grundlage für erfolgreiche Bildungswege – für Kinder, Jugendliche und für Erwachsene. Vorhandene Mehrsprachigkeit kann dabei als Vorteil genutzt werden, wenn gleichzeitig Konzepte die Nachteile ausgleichen. Vor allem braucht es niedrigschwellige Gelegenheiten und Räume, um Sprachkenntnisse anzuwenden. Sprachen müssen gesprochen werden, eine gemeinsame Sprache ist Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis. Sprachen lernt man am besten gemeinsam und kontinuierlich, mit Respekt und Sensibilität.
Eine zentrale Rolle für einen erfolgreichen Spracherwerb spielen funktionierende Netzwerke der Bildungspartner und der Austausch der Fachkräfte. In der Gesprächsrunde kommen Fachkräfte aus unterschiedlichen Bildungseinrichtungen zu Wort und berichten aus ihrer jeweiligen Perspektive, wie sie Kinder, Jugendliche oder Erwachsene dabei unterstützen, deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben und welche Hürden es noch abzubauen gilt. Mit dabei sind Anne Nagel (Kulturzentrum Schlachthof e.V.), Ute Moldenhauer (Staatliches Schulamt Kassel), Charlène Hackley (Stadt Kassel, Abteilung Bildungsmanagement und Integration) und Jessica Malorny (städtische Kita Landaustraße).