Situation der Kinder hat sich verschlechtert

In der Stadt Kassel werden jährlich rund 1.700 Kinder einzuschulende Kinder in der jeweils zuständigen Grundschule oder im Gesundheitsamt der Region Kassel untersucht. Dabei können die Stärken aber auch der Förderbedarf eines Kindes herausgefunden werden.

Neben Seh- und Hörtest geht es in der spielerisch angelegten Untersuchung etwa um die Sprachkompetenz und die Beweglichkeit der baldigen Schulkinder. Die Ergebnisse aus dem Jahr 2022 haben sich unter anderem durch die Pandemie zum Vergleichsjahr 2019 drastisch verschlechtert.

„Jedes Kind, welches in Hessen eingeschult wird, bekommt diese ärztliche Einschulungsuntersuchung durch Mitarbeitende der Gesundheitsämter. Sie findet im Jahr vor der Einschulung statt und ist keinesfalls eine Prüfung, die ein Kind bestehen soll oder muss. Vielmehr sollen durch die Einschulungsuntersuchung die Stärken aber auch die Förderbedarfe der Kinder erkannt werden, so dass passgenaue Fördermöglichkeiten gefunden und den Eltern vorgeschlagen werden können. Durch diese Untersuchung kann jedem Kind ein gelingender Schulstart ermöglicht und die Freude am Lernen erhalten werden“, informiert Schul- und Gesundheitsdezernentin Nicole Maisch.

Der Ablauf und das Ziel

Die Einschulungsuntersuchungen sind eine der größten Präventionsmaßnahmen des Landes und werden in fast allen Bundesländern standardisiert durchgeführt. Sie beinhalten den Hör- und Sehtest, das Erfassen von Größe und Gewicht, das Messen des Blutdrucks und des Pulses, eine körperliche Untersuchung und die Untersuchung des allgemeinen Entwicklungsstandes des einzuschulenden Kindes. Ein Teil der Untersuchung wird durch eine medizinische Fachangestellte, der andere Teil durch eine Ärztin des Gesundheitsamtes Region Kassel durchgeführt.

Im Anschluss findet ein Gespräch mit dem begleitenden Sorgeberechtigten statt. Dabei wird insbesondere das Ergebnis der Untersuchung und die individuelle Schulempfehlung des Kindes besprochen. „Sollte sich bei einem Kind ein Förderbedarf in verschiedenen Bereichen ergeben, so kann auch die Empfehlung zu einer Rückstellung in die Vorklasse oder in die Kindertagesstätte erfolgen. Diese Empfehlung will erreichen, dass das Kind in der ersten Klasse nicht überfordert wird“, erläutert Regine Bresler, Leiterin des Gesundheitsamtes Region Kassel. „Das mögliche Gefühl des Versagens wollen wir dadurch erst gar nicht aufkommen lassen. Denn für Kinder ist es zu Beginn der Schule wichtig, dazuzugehören. Sie wollen nicht wirklich auffallen und schon gar nicht damit, dass sie etwa beim Lernen oder im Sport nicht mit der Klasse mithalten können. Mit der Rückstellungsempfehlung soll die Freude am Lernen für alle Kinder erhalten bleiben“, ergänzt Dezernentin Maisch.

Die Auswertung

Die aktuellen Zahlen des Gesundheitsamtes Region Kassel basieren auf den Ergebnissen der Auswertung der Daten der Einschulungsuntersuchung, die bei den Untersuchungen der Kinder vor deren Einschulung 2019 und 2022 in der Stadt Kassel erhoben wurden. „Durch die Auswertung der Daten des gesamten Jahrgangs können Stärken und Förderbedarfe der Kinder in einzelnen Kindertagesstätten oder einzelnen Stadtteilen erkannt werden. In bestimmten Fällen ist es dann unsere Aufgabe, auf kommunaler Ebene Fördermaßnahmen anzuregen oder umzusetzen. Dies kann ein zusätzliches Bewegungsangebot in einem Stadtteil sein, in dem bei vielen Kinder im Rahmen der Einschulungsuntersuchung Übergewicht diagnostiziert wurde. In einem anderen Stadtteil, in dem bei mehreren Kindern Schwächen in der Feinmotorik festgestellt wurden, kann in den Kindertagesstätten gezielt Basteln und Malen angeboten werden. In Kindertagesstätten, bei denen ein erhöhter Förderbedarf im Bereich der Sprache festgestellt wurde, können gezielt Sprachfördermaßnahmen für die Kinder angeboten werden“, so Bresler.

Um ausgewählte Ergebnisse der Einschulungsuntersuchungen des Gesundheitsamtes Region Kassel vergleichen zu können, wurde von den Mitarbeitenden der Kasseler Index für Kindergesundheit (KIKiG) entwickelt. Der KIKiG bezieht die Daten zu Impfschutz, Körpergewicht, Sinnesscreening, der körperlichen Untersuchung sowie dem Entwicklungs- und Sprachscreening ein. „Ziel des bundesweit einzigartigen KIKiG ist es, Erkenntnisse über die kleinräumige Verteilung ausgewählter gesundheitlicher Ressourcen und Belastungen von Einschülerinnen und Einschülern in der Stadt zu erhalten“, sagt Maisch. „Die aktuellen Erkenntnisse des KIKiG, die das Gesundheitsamt Region Kassel aus den Daten der Einschulungsuntersuchung gewinnen konnte, sollten zur Umsetzung von passgenauen Fördermaßnahmen in der Stadt beziehungsweise in den einzelnen Stadtteilen führen. Die gilt es nun auch im Haushalt der Stadt finanziell zu verankern.“

Die Ergebnisse

Die verschiedenen Daten und Antworten der untersuchten Kinder zeigen untere anderem besondere Stärken in einzelnen Stadtteilen sowie bestimmte gesundheitliche Fakten. 

So können Kinder in Stadtteil Jungfernkopf und Waldau gut hüpfen und malen. In Bettenhausen haben die Kinder eine gute Wahrnehmung. In den Stadtteilen Fasanenhof, Forstfeld und Nordshausen sind alle untersuchten Kinder gegen Masern geimpft. Zum Vergleich: In Wehlheiden sind es nur 85 Prozent der Kinder, die den gesetzlich vorgeschriebenen Masernschutz aufweisen.

Die Daten des Kasseler Index für Kindergesundheit (KIKiG) aus dem Gesundheitsamt Region Kassel lassen auch einen übergreifenden Blick in die einzelnen Stadtteile zu:

In Stadtteilen mit niedrigem Index (rot und orange) zeigten sich vermehrte Auffälligkeiten bei den Einschulungsuntersuchungen, in Stadtteilen mit höherem Index (blau) gab es weniger Auffälligkeiten bei den Kindern. Der Index beinhaltet die Daten für Körpergewicht, Impfstatus, Körpercheck, Motorik, Sprache und Sinnesprüfungen (Hören und Sehen).

Die Daten aus 2022 zeigen in der thematischen Betrachtung vor allem, dass in den Bereichen Sprachkompetenz und Gesundheit eine signifikante Verschlechterung der Ergebnisse im Vergleich zu den Daten aus 2019 eingetreten ist, so Gesundheitsamtsleiterin Regine Bresler während der Vorstellung der Einschulungsuntersuchungsergebnisse.

Die Ergebnisse aus der Überprüfung der Sprachkompetenz in der Einschulungsuntersuchung zeigen auf, dass im Vergleich der Daten des Einschulungsjahrgangs 2019 zu 2022 mehr Kinder auffällig waren. „Da auch die Dauer des Kindergartenbesuchs dokumentiert wird, zeigen unsere Daten, wie sehr die Kinder vom Besuch einer Kindertagesstätte profitieren“, sagt Stadträtin Maisch. 

"Weniger als zehn Prozent aller Kinder, die keine Kita besuchten, waren bei der Überprüfung der Sprachkompetenz unauffällig. Dies belegt eindeutig die Notwendigkeit, allen Kindern einen Platz in einer Kita zur Verfügung zu stellen. “

Dennoch zeigten auch 30 bis 40 Prozent der Kinder, die die Kita länger als 36 Monate besuchten, bei der Einschulungsuntersuchung in 2022 Sprachauffälligkeiten oder grenzwertige Befunde bei der Sprachkompetenz. Bei der Untersuchung in 2019 waren dies 20 bis 30 Prozent. Bresler dazu: „Die Steigerung der Auffälligkeiten um circa zehn Prozent lässt sich vermutlich mit dem nicht regelmäßigen Kita-Besuch während der Pandemie sowie dem möglicherweise vermehrten Gebrauch von digitalen Geräten und dem gestiegenen Medienkonsum in den Familien erklären.“ „Hier sind weitere präventive Maßnahmen für Kinder im Vorschulalter zur Sprachförderung im Alltag und in der Kita dringend erforderlich, um die Sprachkompetenz bis zur Einschulung zu verbessern. Nur so kann ein erfolgreicher Start in der Schule gelingen und die Chancengerechtigkeit für alle Kinder verbessert werden“, ist sich Dezernentin Maisch sicher. 

Weitere Daten der Einschulungsuntersuchung zeigen auch den Prozentsatz der Kinder mit Übergewicht in den verschiedenen Stadtteilen. Auch diese Zahlen sind, im Vergleich zu den Jahrgängen vor der Pandemie, erhöht (Anstieg von 10,6 Prozent in 2019 auf 14,5 Prozent in 2022).  

„In den am stärksten betroffenen Stadtteilen Phillippinenhof-Warteberg mit 25 Prozent, Forstfeld mit 22 Prozent, Oberzwehren und Nord-Holland mit rund 20 Prozent sollten zusätzliche Bewegungsangebote für Vorschulkinder geschaffen werden, zumal die Überprüfung der Körperkoordination dort ebenfalls erhöhte Auffälligkeiten zeigten“, fordert Bresler.

Bezüglich der Gesundheitsdaten etwa bei Impfungen zeigten die Untersuchungen folgendes Bild:

Die Grafik zeigt die Stärken und Schwächen der Kinder in der Einschulungsuntersuchung in Bezug auf die genannten Kriterien, die farbig dargestellt werden. Dargestellt ist die Abweichung der Werte in den Stadtteilen vom Durchschnittswert (Mitte). Rechts der Mitte finden sich die Kriterien, in denen weniger Auffälligkeiten bei der Einschulungsuntersuchung gefunden wurden, links der Mitte die Kriterien mit mehr Auffälligkeiten.

Die Maßnahmen

Die städtische Arbeitsgemeinschaft Kindergesundheit mit Beteiligten aus verschiedenen städtischen Ämtern (Gesundheitsamt Region Kassel, Jugendamt mit den Frühen Hilfen, Amt Kindertagesbetreuung Kassel, Amt Schule und Bildung, Amt für Chancengleichheit) sowie die Volkshochschule beschäftigt sich momentan intensiv mit dem Thema Sprachentwicklung und Sprachförderung der Kinder in Kita und Alltag. Zu diesem Thema wird es unter anderem im November einen Fachtag Sprachkompetenz geben. Darüber hinaus gibt es in einigen Kitas spezielle Konzepte für Sprachförderung (Sprachförder-Kitas), auch in der Familie. Zudem wird das hessische Kinder-Sprach-Screening (KiSS) in vielen Kindertagesstätten schon seit Jahren durchgeführt. In diesen Kitas gibt es speziell für das Sprachscreening geschulte Erzieherinnen und Erzieher. Die Teilnahme weiterer Einrichtungen am Sprachscreenings ist Ziel des Gesundheitsamts Region Kassel, welches die Kitas bei der Durchführung des KiSS unterstützt.

Seit dem Frühjahr gibt es obendrein in acht Kooperations-Kitas in den Stadtteilen Brückenhof / Oberzwehren, Bettenhausen und Rothenditmold so genannte Schnupper-Kitas. „Der Weg in die Kindertagesbetreuung kann für Familien und deren Kinder mit verschiedenen Hürden und Hindernissen verbunden sein. Sei es durch Sprache, die eigene Lebensgeschichte und die der Eltern oder durch geringe finanzielle Ressourcen. Diesen Familien möchten wir mit unseren Schnupper-Kitas unter die Arme greifen, Ängste und Vorurteile abbauen und so durch eine gute Kindertagesbetreuung allen Kindern gleiche Chancen für ihren weiteren Weg ermöglichen“, erläutert Kinder- und Bildungsdezernentin Nicole Maisch. Einige Schnupper-Kitas werden mehrsprachig angeboten. Einmal in der Woche treffen sich die Kinder und ihre Eltern in der Kita, von der sie bereits eine Zusage für einen Betreuungsplatz haben, für zwei Stunden mit den Fachkräften des Projektes „Kita-Einstieg Kassel“. In dieser Zeit lernen die Kinder schon Rituale aus dem späteren Kita-Alltag. Die Eltern bekommen Anregungen, wie sie ihr Kind auf diese Zeit auch zuhause vorbereiten können. Fragen können sofort im kleinen Kreis geklärt werden.

In allen städtischen Kitas wird der zuckerfreie Vormittag umgesetzt und auch von einigen Kitas in freier Trägerschaft angeboten. Zudem sind Bewegungsangebote fester Bestandteil des pädagogischen Konzepts. Je nach Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte werden auch Yoga, Tanz, Schwimmen und Bewegungsausflüge angeboten. Das städtische Projekt „Fit wie Herkules soll die Bewerbung von Kindern fördern. Basis des Projekts ist eine Verzahnung mit Sportvereinen der jeweiligen Kitas und auch Grundschulen, die den Kindern auf diese Wiese ihre Sportangebote nahebringen können. Das Angebot wird seit Jahresbeginn 2023 im Hort der Kita Philippinenhof, der Grundschule Waldau und der Schule Schenkelsberg wöchentlich durchgeführt und soll in den kommenden Monaten sukzessive an weiteren Schulen und Horten angeboten werden. 

„Die Zahlen der Einschulungsuntersuchungen sind alarmierend und lassen keinen Zweifel daran, dass wir uns alle noch mehr für die Kinder und ihr Wohlergehen einsetzen müssen. Je früher wir Kinder fördern, umso weniger Überstützung benötigen sie in der Schule und im späteren Leben. Mit der Förderung von Kita-Kindern investieren wir direkt in die Zukunft. Die Stadt Kassel hat bereits gute Projekte auf den Weg gebracht. Jetzt geht es darum diese guten Konzepte passgenau in allen Stadtteilen anbieten zu können“, so Dezernentin Nicole Maisch abschließend.