Per "trafficpilot" besser durch Kassels Ampelphasen

Die neue App „trafficpilot“ bietet Fahrrad- und Autofahrenden die Möglichkeit flüssiger durchs Stadtgebiet zu kommen. Mithilfe des Ampelphasen-Assistenten können unnötige Halte vor Ampeln vermieden werden.

Seit einigen Jahren arbeitet das Straßenverkehrs- und Tiefbauamt gemeinsam mit dem Fachgebiet Verkehrstechnik und Transportlogistik der Universität Kassel sowie der Firma GEVAS Software aus München in unterschiedlichen Forschungs- und Förderprojekten an einem Ampelphasenassistenten für Verkehrsteilnehmende. Mittlerweile steht eine Smartphone-App für alle zur Verfügung, der „trafficpilot“.

„Kassel gehört damit zu den ersten deutschen Städten, die die Datenvernetzung der Verkehrsinfrastruktur für eine Reduzierung der verkehrsbedingten Emissionen nutzen. Besonders gut finde ich, dass bei solchen technischen Lösungen von Anfang an auch der Radverkehr mit in den Blick genommen wird“, so Verkehrsdezernent Christof Nolda.

Wie funktioniert der „trafficpilot“?

Die App zeigt vor den Ampelanlagen einen „grünen Teppich“ an. Befinden sich Fahrrad- oder Autofahrende innerhalb dieses grünen Teppichs, so können sie an der nächsten Ampel mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mit „Grün“ rechnen. Befinden sich die Fahrenden nicht innerhalb des Teppichs, können sie die eigene Geschwindigkeit entsprechend anpassen, um einen Halt vor der Ampel zu vermeiden. Die App kann dadurch zu einer Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und von Emissionen beitragen. Sie ermöglicht zudem ein Fahrradfahren mit weniger Stopps. Der Ampelphasenassistent ist außerdem in der Lage, vor der Haltelinie für wartende Fahrrad- oder Autofahrende einen „Countdown“ anzuzeigen, der angibt, wann mit der nächsten Grünphase zu rechnen ist.

Wie verlässlich ist der „trafficpilot“?

Der „grüne Teppich“ wird aus aktuellen und historischen Verkehrsdaten der entsprechenden Ampelanlage sowie aus der aktuellen individuellen Fahrzeugposition berechnet. Eine besondere Herausforderung bei der Prognose der Grünphase ist die flexible verkehrsabhängige Steuerung der Ampelanlagen in Kassel. So reagieren die Ampeln in Kassel individuell auf Anmeldungen von ÖPNV-Fahrzeugen (durch Funksignale), von Fußgängerinnen oder Fußgängern (durch das Drücken von Tastern) oder von Kraftfahrzeugen (z.B. durch eine Erfassung über Induktionsschleifen in der Fahrbahn). Dadurch lässt sich die Grünphase nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vorhersagen, die aber bei allen in der App angezeigten Ampeln bei über 85 Prozent liegt. Fällt der Wert für die Prognosegüte unter den Schwellenwert von 85 Prozent, wird die jeweilige Ampel nicht mehr im Ampelphasenassistenten angezeigt. Das heißt aber auch, dass in ein bis zwei von zehn Fällen die Prognose falsch sein kann. Diese Problematik war dem Entwicklungsteam der App von Anfang an bekannt und lässt sich noch nicht optimal lösen.

Die Verkehrsingenieurinnen und -ingenieure aus dem Straßenverkehrs- und Tiefbauamt sehen den „trafficpilot“ jedoch bereits jetzt als sinnvolle Unterstützung an, dessen Nutzen mit fortlaufender Optimierung und Einspeisung weiterer Ampelanlagen ins System weiter zunehmen wird. Der Assistent ist zudem ein Schritt zum vernetzten und künftig auch zum automatisierten Fahren. Trotz „trafficpilot“ bleibt natürlich weiterhin maßgebend, was die Ampel anzeigt.

Gut funktioniert der Ampelphasenassistent an Ampelkreuzungen, die sehr konstant schalten, wie zum Beispiel die Anlagen entlang der Dresdener Straße oder der Frankfurter Straße. An insgesamt 160 der 220 Ampeln in Kassel wird der Dienst für mindestens eine Richtung angeboten.

Da die Ampeln in Kassel verkehrsabhängig und damit über den Tag unterschiedlich schalten, ist eine Prognose der Ampelschaltung schwierig. Bei reinen Fußgängerampeln, die nur bei Bedarf angefordert werden, liegt die Prognose mitunter daneben. Dies liegt daran, dass der Prognosealgorithmus auf Daten aus der Vergangenheit aufbaut. Er hat damit ein bestimmtes Muster „erlernt“, das von Mittelwerten geprägt ist, die durch unterschiedliches Verhalten oder Verzögerungen manchmal abweichen kann.

Was wurde und wird an den Ampeln technisch verändert und warum?

Die Steuerungssoftware an den Ampeln bleibt nahezu unverändert. Allerdings werden zusätzliche Informationen von der Ampel in die Verkehrsmanagementzentrale der Stadt Kassel übertragen. Dies sind zum Beispiel aktuelle Informationen darüber, ob ein Wechsel in eine Grünphase für eine bestimmte Richtung eingeleitet wird. Je nachdem, welche Verkehrsströme an der Ampel angemeldet sind und wie lange diese schon warten, wird ausgewählt von welcher aktuellen Ampelphase in welche Folgephase geschaltet wird. Diese Information ist wichtig für die Erstellung der Grünzeitprognose und wird derzeit von rund 65 Ampeln an die Zentrale übertragen.

Wie kann man sich als Testnutzer einbringen?

Ziel ist es, das System weiter zu optimieren und damit den App-Nutzen zu erhöhen. Daher freuen sich die Beschäftigten im Straßenverkehrs- und Tiefbauamt auf Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer.

Zum Ausprobieren der App werden beispielsweise folgende Strecken empfohlen, die bereits sehr gut im „trafficpilot“ abgebildet sind:

für den Radverkehr die Strecke entlang der Harleshäuser Straße
für den Pkw-Verkehr die Route von der Anschlussstelle Kassel-Nord über die Dresdener Straße und die Hafenbrücke zum Holländischen Platz oder die Route vom Auestadion über die Frankfurter Straße bis zum Steinweg.
Per Mail an trafficpilotkasselde können Nutzerinnen und Nutzer Rückmeldungen zu der App direkt an das Straßenverkehrs- und Tiefbauamt weitergeben.

Hintergrund

Die Realisierung des Ampelphasenassistenten in Kassel wurde durch Mittel aus dem Kommunalinvestitionsprogramm (KIP) des Bundes ermöglicht. Neben der Anschaffung der Server und der Software für den“ trafficpilot“ war es erforderlich, die Datennetze der Ampelanlagen zu modernisieren. Die entsprechenden Projekte für das Programm wurden im Jahre 2016 durch die Kasseler Stadtverordnetenversammlung beschlossen. 

Der „trafficpilot“ wurde von der Firma GEVAS software GmbH aus München entwickelt und steht bereits in den Städten Kassel, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Salzburg, Heusenstamm und Wien zur Verfügung.

Nutzbar ist die App für aktuelle Handy-Betriebssysteme (Android, iOS) und sie ist im Google Play Store und im App Store von Apple erhältlich. Die Daten der Ampel-Schaltzeiten stammen aus dem Verkehrsmanagementsystem des Straßenverkehrs- und Tiefbauamtes der Stadt Kassel.

Weitere Informationen etwa zur kostenfreien Installation der App  finden Sie hier.

Die Datenvernetzung der Kasseler Ampelanlagen wird derzeit in verschiedenen Förderprojekten vorangetrieben. Das Ziel der Stadt ist es, den Verkehrsteilnehmenden verschiedene Dienste für das vernetzte Fahren anzubieten, die in erster Linie die Verbesserung der Sicherheit und die Reduzierung von Luftschadstoffen erreichen sollen. So wird in Kassel derzeit in dem Projekt „C-Roads Germany - Urban Nodes“ das digitale städtische Testfeld für das vernetzte Fahren erweitert.

Zu den angebotenen digitalen Diensten zählt die neu in Betrieb genommene App „trafficpilot“. Außerdem werden Dienste für die ÖPNV-Beschleunigung, die digitale Anmeldung von Verkehrsteilnehmenden an den Ampelanlagen, die Warnung vor Gefahrenstellen und die Bereitstellung von Verkehrsinformationen getestet und in die Praxis überführt.

Eine Nutzung dieser Dienste ist – wie im Fall der „trafficpilot“-App – über Mobilfunk oder über einen eigens für die Fahrzeugindustrie entwickelten W-LAN-Standard möglich, über den die Fahrzeuge direkt mit der städtischen Verkehrsinfrastruktur kommunizieren können.