Hitliste der unbekannten Parks: Quellbachtal

Abseits von Buga, Karlsaue, Park Schönfeld oder dem Bergpark gibt es eine Reihe reizvoller Parks, Gärten, Grünzüge und innerstädtischer Streuobstwiesen. Im vierten Teil unserer Reihe „Hitliste der unbekannten Parks und Naturräume“ stellen wir heute das Quellbachtal im Stadtteil Fasanenhof vor.

Quellbachtal-Grünzug in Kassel

Das Quellbachtal liegt als ca. 1.000 Meter langes und ca. 100 Meter breites Band im Stadtteil Fasanenhof zwischen Wohngebieten und ausgedehnten Kleingartenkolonien. In den 50er Jahren griff die gärtnerische Nutzung auch auf die zentralen Talbereiche unmittelbar neben dem Quellbach über. Mit der Zeit entwickelten sich aus den Grabelandparzellen veritable Kleingartenanlagen mit massiven, voll erschlossenen Lauben, die zeitweise ganzjährig bewohnt wurden. Dichte Hecken umschlossen die einzelnen Gärten, der Quellbach wurde nach Belieben verrohrt oder überbaut, neben Obstgehölzen wurden sehr viele Koniferen angepflanzt und vom ursprünglichen Charakter des Quellbachtals war schließlich nichts mehr zu spüren.

Durch die nach Jahrzehnten zu Dickichten zusammengewachsenen Gehölzbestände existierten trotz der relativ geringen Entfernung keine Blickbeziehungen mehr zwischen den Flanken der beiden Talseiten. Als schließlich fast alle Gärten aufgegeben waren und der gesamte Bereich wegen laufender und drastisch steigender Müllablagerungen zu verwahrlosen drohte, wurde 2007 die Renaturierung des Quellbachtals vom Umwelt- und Gartenamt initiiert. Dies entsprach auch einem lang gehegten Wunsch des Ortsbeirats Fasanenhof, den Lauf des Quellbachs wiederherzustellen und naturnahe Freizeitmöglichkeiten zu schaffen.

Ein Stück Natur zurückgewonnen

Ziel war es, eine innerstädtische Grünfläche zu entwickeln, die sich in hohem Maße naturnah entwickelt und keinen klassischen Park mit kurz gemähtem Rasen und gepflanzten Blumenbeeten herzustellen. Die gezielt zugelassene, sich frei entfaltende Dynamik sollte ein – wenn auch bescheidenes – Stück Natur in der Stadt schaffen, das gleichzeitig aber auch Nutzungsmöglichkeiten für Bürger der benachbarten Stadtteile bietet und als neues Element des Stadtgrüns wieder entdeckt werden sollte.

Als erste Maßnahme wurde deshalb der begradigte und verrohrte Quellbach freigelegt. Danach wurden die bestehenden Gehölze deutlich reduziert, insbesondere der vielen Koniferen, wobei einzelne, markante Exemplare bewusst erhalten blieben. Der Rückbau der Kleingärten incl. aller Einbauten, Fundamente und Treppenanlagen usw. erwies sich als Herkulesaufgabe. Aufgrund des teilweise sehr steilen Reliefs waren erhebliche Mengen an Beton und Stahl verbaut worden, die nun mühsam geortet, vermessen und schließlich zurückgebaut werden mussten. Im Laufe der Bauarbeiten traten dabei immer wieder neue Laubenreste und Betonteile zutage, die zuvor unter Brombeerdickichten oder Bodenablagerungen nicht sichtbar waren. Insgesamt wurden über 1.000 Tonnen Material entsorgt. 

Erschwert wurden die Arbeiten durch das oft entweder steile oder sumpfige Gelände. Der Quellbach machte in diesem Zusammenhang seinem Namen alle Ehre und überraschte nach dem Entfernen der Verbauung und dem Verlegen in ein freies Bachbett mit neuen Quellhorizonten, die weite Flächen herrlich durchnässten und versumpften. Was die Baggerfahrer seinerzeit verzweifeln ließ, begeisterte die Planer: Ein kleines Stück Natur wurde wieder freigelegt.

Quellbachtal-Grünzug in Kassel

Aus Dornröschenschlaf geweckt

Als wenn das Quellbachtal aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde: Nach der Rückbauphase wurden die lange Zeit verdeckten Qualitäten und Potentiale des Landschaftsraumes sichtbar. Neben einer auf engstem Raum ausgeprägten Topografie zeigten sich insbesondere viele unterschiedliche Biotoptypen: Sumpf- und Feuchtbereiche grenzten an Sukzessions- und Magerwiesenstandorte, Gebüsche an Obsthaine, sonnige, trockene Hänge an schattige Gehölzsäume. 

Diese Kleinteiligkeit und der Reichtum an Strukturelementen machten das Quellbachtal zu einer interessanten Fläche, die plötzlich wieder von Menschen durchstreift wurde. Besonders das ziellose Durchqueren des Geländes, das Herumstreunen und schlendern auf „Umwegen“ schien Besucher aller Altersgruppen zu reizen.

Im Quellbachtal wird versucht, den unterschiedlichen Ansprüchen von Naturschutz und Nutzern durch ein kleinteiliges Mosaik von möglichst vielen Grünstrukturen zu genügen. Neben Kurzmahdrasen gibt es Wiesen, die zweimal im Jahr gemäht werden, krautige Sukzessionsflächen, auf denen die Mahd nur alle zwei bis drei Jahre erfolgt, und Bereiche, die nie gemäht werden und sich mit der Zeit zu undurchdringlichen Gebüschen entwickeln. Durch unterschiedliche Exposition, Untergründe und Wasserverfügbarkeit bilden sich automatisch sehr differenzierte Grünstrukturen, deren Facettenreichtum fasziniert. 

Neupflanzungen sind bewusst sparsam durchgeführt worden: Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern und einem Kindergarten ist eine Walnusswiese angelegt worden, an andere Stelle ein Esskastanienhain. Wege sind als einfache Schotterwege dort behutsam eingefügt worden, wo Trampelpfade bereits auf ihr Erfordernis hingewiesen haben. Durch mit der Zeit weiterhin brachfallende Kleingärten wird das Quellbachtal nach und nach an Fläche und Strukturen gewinnen und seine Qualitäten als Teil des städtischen Grünsystems zeigen.

Quellbachtal-Grünzug in Kassel
Quellbachtal-Grünzug in Kassel
Quellbachtal-Grünzug in Kassel
Quellbachtal-Grünzug in Kassel