KISS Interview: Morbus Bechterew Selbsthilfegruppe

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2022

Bewegung, Begegnung und Beratung
Selbsthilfegruppe Morbus Bechterew feierte 40jähriges Bestehen und gehört zu den Pionieren der Bewegung

„Immer in Bewegung bleiben.“ Dieses Motto gilt für die Selbsthilfegruppe Morbus Bechterew seit nunmehr vier Jahrzehnten. Denn zum einen sind bei der entzündlichen rheumatischen Erkrankung Gymnastik und Bewegung sehr wichtig, zum anderen ist die Gruppe selbst mit ihren Angeboten und ihrem Austausch stets in Bewegung geblieben und hat auch die Selbsthilfe Bewegung in Kassel als einer der Pioniere mitgeprägt.
Im Landhaus Meister feierten 50 Teilnehmende bereits im September 2021 diesen besonderen Anlass. Deutschlandweit war die Kasseler Selbsthilfegruppe die 35. für diese Erkrankung und hessenweit die erste Gruppe zu einer chronischen Erkrankung, vermutete die Leiterin der KISS, Carola Jantzen, in ihrem Grußwort.

Aktive Selbsthilfegruppe
Als Walter Frass im Oktober 1981 die Gruppe gründete, stand die Selbsthilfeidee, dass Patienten ihre Belange aktiv selbst in die Hand nehmen, noch am Anfang. Ein Jahr vorher hatte sich der Bundesverband Morbus Bechterew gegründet und erst sechs Jahre später kam die KISS hinzu, die auch auf die Erfahrungen und Bedürfnisse der Gruppe Morbus Bechterew zurückgreifen konnte. Bis heute ist die Gruppe auf Selbsthilfe- und Gesundheitstagen aktiv und war bei allen Aktionen der Selbsthilfe in Kassel mit dabei, stellte Carola Jantzen fest.

Der stellvertretende Sprecher der Gruppe, Wolfgang Rietschel, ist seit 35 Jahren Mitglied, der derzeitige Sprecher, Theodor Funke, seit etwa 15 Jahren. Morbus Bechterew war 1981 noch wenig bekannt. Patienten wurden zum Orthopäden geschickt, bekamen Schmerzmittel und Krankengymnastik. Auch heute dauert die Diagnose oft noch zu lang, sagt Wolfgang Rietschel, obwohl die Krankheit inzwischen bekannter geworden ist.

Typisch für die Erkrankung sind starke Schmerzen vor allem am Morgen sowie eine Morgensteifigkeit. Doch „man weiß nicht, wie weit einen diese Krankheit einschränken wird“, erläutert Wolfgang Rietschel. Die Ausprägung ist verschieden, sie verläuft in Schüben – neben Zeiten von Schmerzen, Müdigkeit und Fieber gibt es Zeiten ohne Beschwerden.

Bewegung das A und O
Auch die betroffenen Körperregionen sind unterschiedlich. Manchmal ist der Hals-Nacken-Bereich betroffen, so wie bei Theodor Funke. Er kann ein Glas Sekt nicht austrinken, weil er seinen Kopf nicht so weit nach hinten bewegen kann. Weder Schuhe noch Socken anzuziehen gelingt ihm ohne Hilfe. Bei anderen ist eher der Beckenbereich oder der untere Wirbelsäulenbereich betroffen. Die Wirbelsäule kann auch ganz einsteifen.

Das A und O bei Morbus Bechterew ist neben einer medikamentösen Therapie die Bewegung. Deshalb bietet die Gruppe seit der Gründung Gymnastik-Bausteine mit ganz individuellen Übungen an. Wassergymnastik und Nordic Walking gesellten sich dazu. Von Beginn an standen fachliche Vorträge auf dem Programm, ebenso wie Treffen zum Austausch von Erfahrungen und für die Geselligkeit. „Für mich war der Austausch in der Gruppe am Anfang sehr wichtig“, erinnert sich Theodor Funke. Wie macht ihr das? Wie geht ihr mit diesem Thema um? Wie ist das mit Schüben? Die Gespräche mit anderen Erkrankten über solche Fragen halfen ihm weiter.
Heute, sagen beide, finden sich viele Informationen im Internet. Dennoch bleibt die Selbsthilfe mit ihren Möglichkeiten zu persönlicher Begegnung und Bewegung unverzichtbar. Die Gruppe und die gemeinsamen Gymnastik- Angebote „helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden“, sagt Wolfgang Rietschel.

Viele gute Wünsche
Auch bei der Feier zum 40jährigen Bestehen gehörte eine kleine Bewegungseinheit dazu, neben zahlreichen Gratulationen und vielen guten Wünschen für eine erfolgreiche Zukunft. Sogar ein Zauberer stand auf dem Programm, ein Film gab Ein- und Rückblicke in die Geschichte der Gruppe, auch eine 20seitige Broschüre ist entstanden. Klar ist, auch in Zukunft wird die Gruppe ganz nach der Devise handeln, was Bechterewler brauchen: „Bewegung, Begegnung und Beratung“.

Mehr zur Gruppe finden Sie hier:
 Morbus Bechterew Selbsthilfegruppe Kassel (Öffnet in einem neuen Tab)