Der Arnold-Bode-Preis der documenta-Stadt Kassel wird seit 1980 an Künstlerinnen und Künstler in Anerkennung ihrer herausragenden Leistungen für die Kunst der Gegenwart verliehen. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis ist nach dem documenta-Gründer Arnold Bode benannt und wurde von 1980 bis 1988 jährlich, seitdem meist zweijährig, aber obligatorisch in einem documenta-Jahr, verliehen. Das Grundkapital der Arnold-Bode-Stiftung entstammt Kunstwerken, die Arnold Bode von documenta-Künstlern anlässlich seines 75. Geburtstages im Jahr 1975 geschenkt wurden. Die Verleihung findet in der Regel in den Räumlichkeiten des Kasseler Kunstvereins in Zusammenhang mit einer Ausstellung der jeweiligen Preisträger statt.
Die Arnold‐Bode‐Stiftung wurde 1978 von der Stadt Kassel ins Leben gerufen und vergibt den Arnold‐Bode‐Preis. Eine documenta‐Teilnahme ist nicht Voraussetzung, documenta‐Niveau aber Maßstab der Entscheidung. Im Jahr 2021 wurde der Preis an das kubanische Kollektiv INSTAR und dessen Gründerin Tania Bruguera verliehen.
Ehrung für kubanisches Kollektiv INSTAR und dessen Gründerin Tania Bruguera
Die Vergabe des Arnold-Bode-Preises fand 2021 erstmalig als Videopreisverleihung statt. Am 9. Dezember 2021 wurde das Video zur Preisverleihung mit den Grußworten von Oberbürgermeister Christian Geselle, Kulturdezernentin Dr. Susanne Völker, des Vorsitzenden des Kuratoriums der Arnold-Bode-Stiftung Prof. Heiner Georgsdorf, einer Laudatio der ruangrupa-Mitglieder Reza Afisina und Iswanto Hartono sowie einer Videobotschaft von INSTAR und Tania Bruguera veröffentlicht. Das Video ist mit deutschen und englischen Untertiteln abrufbar.
Die politisch engagierte und weltweit geachtete Installations- und Performancekünstlerin Tania Bruguera, wie auch die Mitglieder des „Instituts für Artivismus Hannah Ahrendt“ (INSTAR), machen nicht nur mit künstlerischen Mitteln und Aktionen gesellschaftliche Missstände und politischen Machtmissbrauch in Kuba öffentlich sichtbar, sondern wollen im Diskurs auch Wege zur Veränderung finden. Mit dem diesjährigen Arnold-Bode-Preis werden das Kollektiv der kubanischen Künstlerinnen und Künstler und dessen Gründerin gleichermaßen geehrt.
Anlässlich der Veröffentlichung der Videopreisverleihung sagte Kulturdezernentin Susanne Völker: „Der Einsatz von INSTAR für Meinungsfreiheit, soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit bedeutet für die Mitglieder des Kollektivs eine Konfrontation mit der Regierung, die oft zu Repressalien wie Hausarrest und sogar Gefängnis führt. Mit der Verleihung des Arnold-Bode-Preises wird nicht zuletzt auch diese Zivilcourage des Kollektivs gewürdigt.“
Erstmals in der 41-jährigen Geschichte des Preises wird dieser im Rahmen einer Videopreisverleihung vergeben – eine Maßnahme, die auf Grund der anhaltenden Pandemie notwendig ist, da eine Preisverleihung mit internationalen Gästen in Präsenz aktuell leider nicht möglich ist. Dank dieses Formats einer weltweit abrufbaren Videopreisverleihung, kann jedoch ein großes internationales Publikum erreicht werden – ganz im Sinne Arnold Bodes. Die Ehrung durch persönliche Übergabe der Urkunde ist 2022 während der documenta fifteen geplant, zu der Tania Bruguera und INSTAR in Kassel sein werden.
Ein weiteres Novum ist die Verleihung des Preises an ein Kollektiv. Hier spiegelt sich auch das kuratorische Konzept der documenta fifteen wider, zahlreiche Gruppen von Künstlerinnen und Künstlern einzuladen. Auch INSTAR werden als „lumbung-member“ an der nächsten Ausgabe der weltweit bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst im Jahr 2022 teilnehmen.
Über Instar und Tania Bruguera
Die Mitglieder von INSTAR leben und arbeiten in Havanna, wie auch Tania Bruguera, die zudem in New York zuhause ist. 2002 hinterließ Tania Brugueras düsterer documenta-Raum mit der akustischen Simulation eines Erschießungskommandos einen unauslöschlichen Eindruck. Ihre interaktive Londoner Installation in der Turbinenhalle der Tate Modern (2018/19) „presste die Migrationskrise in die Köpfe und Körper der Besucher“ (The Guardian), ein Beispiel für die von der Künstlerin postulierte „forced empathy“ – erzwungene Empathie.
Ihre „Arte Útil“, ihre nützliche Kunst, soll aber nicht nur gesellschaftliche Missstände und politischen Machtmissbrauch unmittelbar erfahrbar machen, sondern auch Wege zu Veränderung aufzeigen. Nach dem Tod Fidel Castros 2016 engagierte sich Bruguera in Aktionen und Projekten, die Kuba auf „friedliche und besonnene Weise“ (Bruguera) aus dem Totalitarismus herausführen sollten. Die Hoffnung auf einen Kubanischen Frühling erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Tania Bruguera musste wiederholt ins Gefängnis und wurde und wird immer wieder unter Hausarrest gestellt. Doch Ihr Engagement ist ungebrochen.
Um den „Aufbau einer Demokratie in Kuba“ (Bruguera) durch künstlerische Aktivitäten zu intensivieren und auf eine breitere Basis zu stellen, hat sie 2015 mit einer Gruppe von Gleichgesinnten – Kunst (Art) und Aktivismus verbal verbindend – das „Hannah Arendt Institut für Artivismus“ (INSTAR) gegründet. Hannah Arendts „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ ist gleichsam Manifest und Handbuch der Gruppe, deren Kern zurzeit aus neun Mitgliedern besteht. Das Institut soll, laut INSTAR, als „demokratischer und hierarchiefreier Raum, der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit, in Kuba etwas nicht allzu Bekanntes, Nachdruck verleihen.“
Das Kollektiv verfolgt auf unterschiedlichen Aktionsebenen und mit unterschiedlichen Mitteln und Medien ein vielfältiges Programm. Hauptziel ist, in Zusammenarbeit mit „alltäglichen“ Menschen „eine gemeinsame Sprache für Meinungsfreiheit und soziale Verantwortung zu entwickeln“, als Voraussetzung für „eine unabhängige Zivilgesellschaft“ (INSTAR).
Tania Bruguera in den Medien
Ein Radio-Feature über Tania Bruguera und die Situation von Kulturschaffenden in Cuba wurde Ende 2021 im WDR gesendet. Den Beitrag: „Vom Widerstand der Kunst und der Kunst des Widerstandes in Cuba“ können Sie aus der Mediathek jederzeit zum Nachhören herunterladen. Zum Beitrag (Öffnet in einem neuen Tab)
Die Stiftung
Eine Sammlung von Kunstwerken, die documenta-Künstler dem "Vater der documenta" 1975 zum 75. Geburtstag schenkten, bildet das Grundkapital der Arnold-Bode-Stiftung. Sie wurde 1978, ein Jahr nach Bodes Tod, von der Stadt Kassel ins Leben gerufen. Der Zweck der Stiftung liegt in der Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere durch Vergabe des Arnold-Bode-Preises.
Der Preis wird seit 1980, zunächst jährlich, nach 1987 alle zwei Jahre, aber obligatorisch in einem documenta-Jahr, an Künstlerinnen und Künstler in Anerkennung ihrer herausragenden Leistungen für die Kunst der Gegenwart verliehen. Eine documenta-Teilnahme ist nicht Voraussetzung, documenta-Niveau aber Maßstab der Entscheidung. Die Preisverleihung findet in der Regel im Kasseler Kunstverein (Öffnet in einem neuen Tab) und nach Möglichkeit im Rahmen einer Ausstellung mit Werken des/der Ausgezeichneten statt.
Überblickt man die Liste der Ausgezeichneten, so sieht man keine formale oder inhaltliche Leitlinie, wohl aber erkennt man, dass es sich um starke, eigenwillige Künstlerpersönlichkeiten handelt, jede durch ein solitäres Werk ausgezeichnet. Das gibt dem Bode-Preis sein spezifisches Flair: die überraschende, weil in dieser Kombination nicht unbedingt erwartete Aneinanderreihung von Namen künstlerischer Einzelgänger.
Publikation: "Arnold-Bode-Preis 1980/2000, Positionen zeitgenössischer Kunst" (2000, Jonas Verlag Marburg)
Die Preisträgerinnen und Preisträger
- 2019 Hans Haacke
- 2017 Olu Oguibe
- 2016 Hiwa K
- 2014 Nairy Baghramian
- 2012 Thomas Bayrle
- 2011 Goshka Macuga
- 2009 Urs Lüthi
- 2007 Romuald Hazoumé
- 2006 Hans Schabus
- 2004 Maurizio Cattelan
- 2002 Maria Eichhorn
- 2001 Stan Douglas
- 1999 Penny Yassour
- 1997 Richard Hamilton
- 1996 Tony Oursler
- 1994 Olaf Metzel
- 1992 Reiner Ruthenbeck
- 1990 Thomas Schütte
- 1989 Edward Kienholz
- 1987 Wolfgang Laib
- 1986 Rebecca Horn
- 1985 Ulrich Rückriem
- 1984 Walter Pichler
- 1983 Gerhard Merz
- 1982 Gerhard Richter
- 1981 Mario Merz
- 1980 Hannsjörg Voth
Das Kuratorium
Dem Kuratorium der Arnold-Bode-Stiftung gehören entsprechend der Stiftungsverfassung ein Mitglied der Familie Bode, ein Finanzsachverständiger sowie drei kunstsachverständige Mitglieder, darunter ein Angehöriger der Kunsthochschule Kassel, an.
Die Mitglieder sind jeweils für fünf Jahre im Amt. Derzeit gehören folgende Persönlichkeiten dem Kuratorium an:
- Prof. Heiner Georgsdorf
- Ingo Buchholz
- E.R. Nele
- Ruangrupa
- Prof. Dr. Julia Voss
Wie Arnold Bode Kassel prägte
Arnold Bode wurde 1900 in Kassel geboren und studierte Malerei an der Kasseler Kunstakademie. Erste Erfolge erzielte er als Maler (Preise; Ankauf Nationalgalerie Berlin), aber auch als Raumgestalter, Grafiker und Ausstellungsmacher (Moderne Kunst, Orangerie Kassel 1929).
Er geht als Dozent nach Berlin, erhält 1933 von den Nazionalsozialisten Berufsverbot und kehrt zurück nach Kassel in die innere Emigration. Den Krieg überlebt er als Soldat in der französischen Etappe.
Schon bald nach 1945 initiiert Bode in seiner kriegszerstörten Heimatstadt anspruchsvolle Kunstausstellungen, träumt von einer "Großen internationalen Kunstausstellung", verdient sein Geld aber als gefragter Entwerfer von Möbeln und Firmenständen auf Industriemessen. 1955 gelingt ihm, gegen viele Widerstände, aber mit Hilfe eines Freundeskreises, die erste documenta. Mit unerwartetem, mit sensationellem Erfolg.
Das Erfolgsrezept: Erstens war die documenta anders als die Biennale in Venedig unabhängig von nationalen Interessen und Ambitionen. Ein hochkarätig besetztes Auswahlgremium war autonom in seinen Entscheidungen und garantierte einen internationalen Überblick auf hohem Niveau. Zweitens verstand es Bode auf einzigartige Weise, dem individuellem Kunstwerk durch ästhetisch anspruchsvolle Präsentation einen würdigen Rahmen zu geben. Dieser Inszenierungsstil prägte die insgesamt vier documenten (1955, 1959, 1964, 1968), die unter Bodes künstlerischer Leitung stattfinden. Unvorstellbar heute die Schwierigkeiten und Widerstände, gegen die der unermüdliche Bode und seine Mitstreiter immer wieder anzukämpfen hatten, um eine neue documenta durchzusetzen.
Mit Harald Szeemann findet 1972 ein Generationswechsel in der documenta-Leitung statt. Doch Bodes Engagement für die documenta hält an. Er hat noch Großes mit ihr vor. Er träumt von einer documenta urbana (Städtebau als gemeinsame Aufgabe für Künstler und Architekten), und er träumt vom Oktogon-Projekt (das monumentale Herkules-Denkmal als documenta-Spielort): Zwei obsessiv verfolgte Ziele, für die er sich vergeblich engagiert. Arnold Bode stirbt am 3. Oktober 1977, einen Tag nach Ende der 6. documenta.
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