Ruth Ware: Zero Days
Ein Tipp von Sonja Göppert
Jack und ihr Ehemann Gabe haben einen eher ungewöhnlichen Beruf: sie sind so genannte „Pentester“, d.h. sie werden von Firmen angeheuert, um in deren Gebäude einzubrechen und die Sicherheitssysteme zu hacken. Das Paar ist äußerst erfolgreich, doch eines Abends findet Jack ihren Ehemann mit durchgeschnittener Kehle in ihrem gemeinsamen Zuhause vor. Es kommt noch schlimmer: die Polizei hält sie für die Mörderin! Jack flüchtet und ihr ist klar, dass sie den wahren Täter finden muss, um die Ermittlungsbehörden von ihrer Unschuld zu überzeugen.
Der Thriller der englischen Autorin ist packend und temporeich geschrieben, mit einer starken, sympathischen Hauptfigur, mit der man jede Sekunde mitfühlen kann. Die Geschichte ist gut aufgebaut, atmosphärisch dicht erzählt und hält die Spannung bis zum Ende aufrecht.
Standorte: in der Zentralbibliothek (Untergeschoss Spannung, Signatur: War 8) und in Waldau (Signatur: War 8). In englischer Originalausgabe in der Zentralbibliothek (Untergeschoss Fremdsprachige Literatur, Signatur: FS 10 War).
Als Hörbuch in der Zentralbibliothek (Erdgeschoss Hörbuch, Signatur War MP3).
Auch als ebook über den Onleiheverbund Hessen entleihbar.
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
Tipps der letzten Monate
Stephan Franke: Kassel im Aufbruch – die 50er Jahre
Die 50er Jahre sind wieder sehr gefragt. Auch heute noch sind die Spuren des Aufbruchs nach dem 2. Weltkrieg in der Architektur der Stadt Kassel gut sichtbar: das Staatstheater, die Treppenstraße und das AOK-Gebäude sind typische Gebäude jener Zeit.
Im Stadtarchiv Kassel wird der Bestand der Fotografen-Familie Eberth aufbewahrt und erschlossen. Im von Stephan Franke herausgegebenen Band unternimmt man einen Zeitreise in die 50er Jahre, eine Zeit des Aufbruchs. Nicht nur das neue Stadtbild wird den Leserinnen und Lesern vor Augen geführt. Man erhält über die Abbildungen und die erläuternden Texte auch einen wunderbaren Einblick in den Alltag der Menschen in dieser Zeit. Stephan Franke hat aus dem großen Fundus des Materials eine sehenswerte Auswahl getroffen.
Noch bis zum 8. September 2024 kann im Stadtmuseum Kassel die Ausstellung „Im Fokus – Die 50er Jahre in Fotografien“ besucht werden. Das Buch aus dem Wartberg-Verlag kann zur Vor- und Nachbereitung der Ausstellung sehr gut genutzt werden.
Allen, die sich für diese Zeit interessieren, ist das Buch von Stephan Franke sehr zu empfehlen.
Ein Tipp von Knut Hoffmann
Standort: In der Zentralbibliothek (Untergeschoss Hessen, Signatur: D 90.2 Fra), in der Jugendbücherei sowie in den Stadtteil- und Schulbibliotheken Niederzwehren, Oberzwehren und Waldau (Signatur: D 90.2 Fra)
Aravind Jayam: Teen couple have fun outdoors
In der Provinzidylle Trivandrums, einer Stadt an der Südspitze Indiens, herrscht trotz rasch fortschreitender Urbanisierung eine Dorfstruktur mit einer Alle-kennen-alle-Mentalität. Diese wird jäh erschüttert, als ein heimlich gefilmtes Video in Umlauf gerät, dass wegen seines frivolen, anrüchigen Inhalts natürlich wie eine Bombe einschlägt.
Das explizite Video geht viral und entwickelt sich in kürzester Zeit zum Hit. Den unfreiwilligen Stars, dem Pärchen Sreenath und Anita, Teenager aus gutbürgerlichem Hause, bleibt nichts anderes übrig, im Umgang mit dem medialen und sozialen Rummel unterschiedliche Strategien zu ersinnen, um den Frieden zwischen den Familien wieder einigermaßen herzustellen…
Besonders im Bezirk Blue Hills, wo die Familien von Sreenath und Anita leben, einer Siedlung für all jene, die sich den sozialen Aufstieg erarbeitet haben, geht es beschaulich zu, und alle Bewohner versuchen so gut wie möglich, die Contenance voreinander um jeden Preis zu bewahren. Aber auch das erkaufte Vorstadtparadies mit Einfamilienhäuschen, Honda Civic in der Einfahrt und Wachpersonal vor dem Zufahrtsweg kann den schönen Schein nicht länger aufrechterhalten.
Die soziale Kontrolle in Blue Hills ist hoch, die sozialen Anforderungen betreffend guten Ton, Höflichkeit und Benehmen noch höher. Kein Wunder, dass man schnell aneckt und in diverse Fettnäpfchen tappt, wenn man versucht, seine eigenes Lebensmodell zu verwirklichen…
Aravind Jayam gelingt es vorzüglich, uns durch die Augen von Sreenaths Bruder, dessen Namen wir nie erfahren, auf eine traurige und gleichzeitige urkomische Weise die Wünsche, Nöte und Zwänge junger Leute im modernen Indien zu erzählen. Es geht um die Sehnsucht, den eigenen Wurzeln und aufoktroyierten Zukunftsplänen zu entkommen und eine ganz eigene Vision seines Lebens zu verfolgen. Bissige Dialoge schildern diese belletristisch gelungene Auseinandersetzung zwischen Alt und Jung, bei der man oft gleichzeitig lachen und weinen möchte.
Ein Tipp von Ann-Kristin Kemna
Standort: In der Zentralbibliothek als Buch (Untergeschoss Romane, Signatur: Jay 2)
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
M.W. Craven: Der Botaniker
Ein mysteriöser Serienkiller versetzt Großbritannien in Schrecken. Er schickt seinen Opfern Gedichte und getrocknete Blumen, bevor er sie vergiftet - und er kann offenbar durch Wände gehen, denn selbst Polizeischutz kann ihn nicht stoppen. Die Einheit der National Crime Agency um DI Stephanie Flynn und DS Washington Poe ist dafür da, Serienmörder zur Strecke zu bringen. Während die NCA zusammen mit der brillanten, aber sozial inkompatiblen Analystin Tilly Bradshaw versucht, das Rätsel um den mysteriösen Täter zu lüften, muss sich Poe auch noch um seine Kollegin und Freundin, die geniale Pathologin Estelle Doyle, kümmern, die unter Mordverdacht steht. Zwei Fälle, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Doch nicht nur Washington Poe muss erkennen, dass diesmal nichts so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint.
„Der Botaniker“ ist ein packender und spannender Roman und der Auftakt einer neuen preisgekrönten Krimiserie aus Großbritannien.
Ein Medientipp von Sabine Koch
Standorte: In der Zentralbibliothek (Untergeschoss Spannung, Signatur: Cra 1) und in den Stadteil- und Schulbibliotheken Niederzwehren, Oberzwehren und Waldau.
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
John Lewis-Stempel: Wandern bei Nacht. Was wir in der Dunkelheit erleben können
John Lewis-Stempel, Farmer aus dem rauen Westen Englands, ist ein preisgekrönter Autor poetisch verfasster Naturbeobachtungen. Sein neuestes Werk „Wandern bei Nacht“ beschreibt seine Beobachtungen rund um seine Heimat Herefordshire nahe an der walisischen Grenze.
Auf vier nächtlichen Wanderungen, je eine pro Jahreszeit, erlebt Lewis-Stempel gemeinsam mit seinem Labrador Edith sinnliche Eindrücke der unterschiedlichsten Art. Und so schildert er davon in poetischer, ja teils blumiger Sprache seine Begegnungen mit wilden Tieren wie Füchsen, Wildschweinen, einem aufmüpfigen Dachs und zahllosen Vögeln inmitten der heimischen Fauna. Er ist dabei ein sehr aufmerksamer Beobachter sowie Zuhörer und verfügt über ein erstaunliches Wissen der Vorgänge in der Natur.
So erfährt der geneigte Leser wie nebenher die Unterschiede von Fröschen und Kröten beim Aufsuchen der Laichplätze, staunt darüber, wie gut der Autor im Dunkeln die Gesänge der Vögel erkennt und muss immer wieder schmunzeln über den liebevollen Umgang des Hundebesitzers mit seinem treuen Labrador.
Und immer wieder finden sich eingestreut passende Gedichte englischer Klassiker wie William Wordsworth oder Emily Dickinson wieder. Im abschließenden Epilog des Buches weist der Autor auf das allgemeine Problem der Lichtverschmutzung durch die zahlreichen, künstlichen Lichtquellen auf den Straßen hin. Ein Thema, dem in Europa noch viel zu wenig Bedeutung beigemessen wird.
„Wandern bei Nacht“ ist mit knapp über 100 Seiten ein schmales Büchlein voller poetischer Naturbeobachtungen aus der ländlichen Natur Englands. Ein Buch, welches insbesondere detailverliebte und poetisch veranlagte Naturfreunde ansprechen wird.
Ein Tipp von Hendrik Bühnemann
Standort: In der Zentralbibliothek als Buch (Untergeschoss, Naturwissenschaften, Signatur: T 50 Lew)
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
Katrine Engberg: Glutspur - Die Wurzeln des Schmerzes. Der erste Fall für Liv Jensen
Der Suizid eines Straftäters vor einigen Monaten, der kürzliche Mord an einer Museumsangestellten und der drei Jahre zurückliegende Mord an einem Journalisten, was haben diese Fälle miteinander zu tun?
Der Auftakt dieser neuen Krimi-Reihe wird aus den Perspektiven dreier Personen erzählt. Erstens von Hanna Leon, deren Zwillingsbruder Selbstmord beging und die verstehen möchte, wie es dazu kommen konnte. Zweitens von Automechaniker Nima, der verdächtigt wird, seine Ex-Geliebte umgebracht zu haben. Und drittens von Liv Jensen, einer ehemaligen Polizistin, die jetzt als Privatdetektivin arbeitet.
Durch einen ehemaligen Kollegen wird Liv Jensen auf den 3 Jahre zurückliegenden Fall eines ermordeten Journalisten angesetzt, welcher bislang nicht aufgeklärt werden konnte. Während ihrer Ermittlungen stößt Liv auf die oben erwähnten weiteren Fälle, die auf den ersten Blick scheinbar gar nichts miteinander zu tun haben, aber doch zusammenhängen und deren Wurzeln bis in den 2. Weltkrieg zurückreichen…
Spannender Auftakt einer neuen Krimi-Reihe aus Dänemark mit interessanten Charakteren.
Ein Tipp von Christine Rettig
Standort: In der Zentralbibliothek (Untergeschoss, Spannung, Signatur: Eng 6). Auch als kostenpflichtiger Bestseller entleihbar.
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
Jonathan Garfinkel: Platz der Freiheit
Gary, ein amerikanischer Student kommt in den siebziger Jahren mit einem Stipendium nach Moskau, um dort russische Literatur zu studieren. Dort freundet er sich mit dem charismatischen Aslan und dem hünenhaften Zaza aus dem Kaukasus an. Mit der temperamentvollen Anna aus Litauen beginnt Gary ein kurzes Liebesverhältnis, doch Anna entscheidet sich letztendlich für Zaza. Der zweite Akt springt in die neunziger Jahre nach Tiflis in Georgien und begleitet die junge Performance-Künstlerin Tamar während der politischen Transformation in der postsowjetischen Ära. Sie ist bei Adoptiveltern aufgewachsen, weiß aber, dass ihre Mutter Anna und ihr Vater Zaza heißen. Was aus ihren Eltern geworden ist bleibt ein Geheimnis. Im dritten Akt tritt Rachel Grabinsky, eine kanadische Intellektuelle und politische Aktivistin mit litauischen Wurzeln in Tamars Leben. Tamar folgt ihrer Mentorin Rachel nach Kanada und wird dort eine Zeit leben und arbeiten.
Alle Personen des Romans sind von ungeklärten Rätseln umgeben, die mit lang zurückliegenden Ereignissen zusammenhängen. Tamar und Joseph, der Sohn von Rachel, werden im weiteren Verlauf nach Georgien reisen, um Licht in das Dunkel der Geschehnisse zu bringen. Dort kommt es zum actiongeladenen Showdown und zur Aufklärung der Familiengeheimnisse.
Der surrealistische von Humor und Spannung geprägte Roman mit einer bunten und actionreichen Handlung hat mir das Land Georgien, mit seiner ausgeprägten Schönheit und seinen unklaren, teils chaotischen, politischen Verhältnissen sehr viel nähergebracht. Ein beeindruckender Roman vom kanadischen Autor Jonathan Garfinkel, der zur Zeit in Berlin lebt.
Ein Tipp von Ute Lambrecht
Standort: In der Zentralbibliothek (Untergeschoss Romane und Erzählungen, Signatur: Gar 2)
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
Antoine Laurain: Das Glück im Sternbild Zebra
Xavier ist Immobilienmakler in Paris und er hat sich noch nicht so recht an sein Leben als geschiedener Mann gewöhnt. Aus einer von ihm verkauften Wohnung soll er einen mit Lederriemen ausgestatteten schweren Kasten abholen, den offensichtlich niemand vermisst. Zusammen mit einem befreundeten Antiquitätenhändler kann er den Kasten öffnen. Es befindet sich ein Teleskop darin, ein sehr altes Teleskop mit einer Inschrift: Guillaume Le Gentil.
Der Astronom Le Gentil war ein französischer Wissenschaftler, der nach Indien aufbrach, um den Venustransit zu beobachten, einem astronomischen Phänomen, bei dem der Planet Venus vor der Sonne vorbeizieht. Xavier behält das Teleskop und beobachtet eine schöne Frau in ihrer Wohnung und entdeckt in deren Wohnzimmer ein Zebra. Der Zufall will es, dass er diese Frau kennen lernt. Alice Capitaine ist Tierpräparatorin und sie möchte ihre Wohnung verkaufen.
Antoine Laurain verbindet in seinem Roman zwei Zeitebenen: Einmal in der Vergangenheit die Geschichte der langen und gefährlichen Reise von Guillaume Le Gentil, der sich 1761 aufmachte, um die Venuspassage zu beobachten und astronomische Werte festzuhalten. Zum anderen in der Gegenwart mitten in Paris des 21. Jahrhunderts.
Der Roman ist geschickt eingefädelt und reizend erzählt, eine charmante Liebesgeschichte!
Ein Tipp von Sabine Koch
Riley Sager: Hope's End
1929 erschüttert eine schreckliche Bluttat ganz Maine. Die 17-jährige Lenora Hope wird verdächtigt, ihre Eltern und ihre Schwester grausam ermordet zu haben. Sie streitet die Tat jedoch vehement ab. Erst als fast fünfzig Jahre später die junge Pflegerin Kit nach Hope's End, den Familiensitz und Schauplatz der Tragödie, kommt, scheint sich das Geheimnis um die grausamen Morde zu lüften. Denn Lenora Hope, die nach einem Schlaganfall nur noch mithilfe einer Schreibmaschine kommunizieren kann, will Kit die ganze Geschichte erzählen. Doch Kit begreift schnell, dass sie niemandem trauen kann. Und schon bald weiß sie, dass sie in tödlicher Gefahr ist…
In seinem neuesten Roman „Hope's End“ schafft es Riley Sager erneut eine unglaublich spannende, düstere und mysteriöse Stimmung zu schaffen, so dass dem Leser oft der Atem ausbleibt. Dieses Buch ist so voller unerwarteten Wendungen, dass man nach kurzer Zeit nicht mehr weiß wer Freund oder Feind ist. Und wenn man denkt, man hätte es durchschaut, kommt es doch ganz anders als man dachte...
Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und handeln schlüssig und glaubhaft. Ich konnte das Buch nur schwer zur Seite legen, da ich unbedingt wissen wollte wie es weiter geht.
Ein Tipp von Dana Steinecke
Standort: In der Zentralbibliothek (Untergeschoss, Spannung, Signatur: Sag 1) in der Stadtteil- und Schulbibliotheken Niederzwehren und als eBook in der Onleihe.
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
Jørn Lier Horst: Wisting und die Tote am Wegesrand
Der norwegische Kommissar William Wisting bekommt per E-Mail eine Suchanfrage von der Australierin Michelle. Sie vermisst eine norwegische Bekannte, mit der sie sonst täglich über das Internet kommunizierte, von der sie aber seit zehn Tagen nichts mehr gehört hat. Die norwegische Bekannte, von der Michelle nur den Usernamen „Astria“ weiß, beteiligte sich auf einer von Michelle eingerichteten sogenannten Crowdsolving-Plattform als Hobby-Ermittlerin an der Suche nach dem Mörder der australischen Rucksacktouristin Ruby - einer Freundin von Michelle. Ruby wurde vor etwas mehr als einem halben Jahr auf ihrer Europareise in dem kleinen Küstenort Palamos im Nordosten Spaniens von einem Unbekannten ermordet.
Erst nimmt Kommissar Wisting das alles nicht so ernst. Seine Tochter meldet ihn auf der Crowdsolving-Plattform an. Als dann aber ein spanischer Lieferwagen aus Palamos verlassen im verschneiten Larvik mit einer Leiche im Kofferraum gefunden wird, beginnt William Wisting zu ermitteln…
An Autor Jørn Lier Horst gibt es weiterhin kein Vorbeikommen, wenn man über erstklassige skandinavische Kriminalromane spricht. Er selbst war viele Jahre als Hauptkommissar im Einsatz.
Ungewöhnlich an diesem Krimi ist die Tätersuche durch die Crowdsolving-Plattform. Hobbyermittler weltweit diskutieren den Fall der getöteten Touristin Ruby und tragen Hinweise zur Tat zusammen.
Von der Reihe um Kommissar Wisting gibt es schon mehrere Bücher, einige wurden verfilmt.
Ein Tipp von Sabine Koch
Standort: In der Zentralbibliothek (Untergeschoss, Spannung, Signatur: Hor 5) und in den Stadtteil- und Schulbibliotheken Niederzwehren, Waldau, Oberzwehren.
Medien werden auf Wunsch an den Standort Ihrer Wahl transportiert.
Julia Haart: Un-verhüllt
Mit über 40 ein ganz neues Leben beginnen, die ersten Schritte in die Welt machen, sich einen neuen Namen geben, eine Luxus-Schuhmarke begründen und dass, obwohl man zuvor ein fest eingebundenes Mitglied einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde war? Was wie ein Märchen oder eine ungewöhnliche Form des American Dream klingt, ist Modedesignerin Julia Haart gelungen. Sie schaffte es trotz größter Repressionen seitens ihrer Glaubensgemeinschaft, das Leben zu führen, nachdem sie sich Geheimen zutiefst gesehnt hatte. Anfangs heimlich, versteht sich natürlich.
Bereits als Jugendliche liebte sie Mode und Design, doch die strikten Regularien, die mit dem Leben als ultraorthodoxe Jüdin einhergehen, boten ihr nicht viel Spielraum für kreative Gestaltung von Kleidung und Accessoires. Ohne den Schejtl, die traditionelle Perücke verheirateter Frauen, unter Menschen gehen? Röcke, die oberhalb des Knies enden? Oberteile, die nicht Schlüsselbeine und Ellbogen bedeckt halten? Undenkbar!
Zur Verwirklichung ihres Traums lebte sie viele Jahre lang ein strapaziöses Doppelleben, in dem sie neben der Rolle der tugendhaften Hausfrau und vierfachen Mutter, gefangen in einer arrangierten Ehe mit einem Mann, für den sie keine Gefühle mehr hegte, 20 Stunden pro Tag arbeitete, um ihre Marke zu etablieren. Doch anstatt sich zu beklagen, verfolgte sie zielstrebig ihren Traum, von dessen Erfüllung ihre Zukunft und die ihrer Kinder abhängt: ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung, gegen soziale Kontrolle und selbstauferlegte Zwänge.
Dieses Buch ist keine Anklageschrift, sondern ein Zeugnis von Selbstbehauptung und eisernem Willen. Zudem ist Julia Haart eine wirklich brillante Erzählerin, die im Rückblick über ihr altes Ich lachen kann und nebenbei viele urkomische Anekdoten einzubinden weiß, sodass die Story vor unnachahmlicher Situationskomik sprüht. Ein Buch für alle, die an außergewöhnlichen Lebensgeschichten interessiert sind und natürlich ebenso lesenswert für Fans der Serie „My Unorthodox Life“.
Ein Tipp von Ann-Kristin Kemna
Thor Hanson: Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen
Was macht die weltweite Klimaerwärmung mit den Tieren und Pflanzen auf der Erde?
Der Umweltbiologe Thor Hanson beschreibt in seinem Buch anschaulich, wie die Arten in verschiedenen Regionen der Welt auf die veränderten Verhältnisse infolge des Klimawandels reagieren.
Einen Schwerpunkt bilden dabei die Neuenglandstaaten mit Vermont, der Heimat des Autors. So ziehen die Mauerschwalben vermehrt gen Norden an die im Sommer kühlere Westküste. Die heimischen Braunbären lassen am Studienort in Kanada nach und nach die Lachse in den Flüssen links liegen, denn für sie sind die frühreifen Holunderbeeren als Nahrung nun reizvoller.
Meerestiere wie Seesterne können aufgrund der Erwärmung in den Meeren aussterben und deren Hauptnahrung wie Miesmuscheln können sich dafür rasant vermehren. Auf diese Weise können ganze Ökosysteme zum Erliegen kommen.
Naturwissenschaftlich Interessierte erfahren nebenher so einiges über die Rolle des Kohlendioxids beim Klimawandel, über die aufwändige Forschungsarbeit der Klimaforscher und wie weit sich aufgrund heutiger Ergebnisse Prognosen für die Tier- und Pflanzenwelt an bestimmten Orten treffen lassen.
Hansons Buch ist ein flüssig geschriebenes Werk für Naturfreunde und insbesondere für an der Klimaforschung Interessierte. Es ist eine gelungene Mischung aus persönlichen Naturbeobachtungen und Forschungen des Naturschutzbiologen und wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Es wurde von der New York Times für das beste Wissenschaftsbuch 2023 nominiert.
Ein Tipp von Hendrik Bühnemann
Armin Schmitt: Großartige Giganten. Den letzten Geheimnissen der Dinosaurier auf der Spur
Die Welt der Saurier scheint den meisten von uns unermesslich weit in der Vergangenheit zu liegen, ist den Menschen nur aus Exponaten in Museen oder von mehr oder weniger akkuraten Darstellungen der Popkultur bekannt. Umso erstaunlicher mutet es an, wenn man sich die zeitlichen Dimensionen verdeutlicht, die die Herrschaft der Dinosaurier umfasst: erdgeschichtlich betrachtet sind wir Menschen dem Tyrannosaurus näher als der „König der Tyrannenechsen“ dem Oberjura, in dem Stegosaurus lebte!
Es wird also Zeit, sich auf eine spannende Entdeckungsreise in ebenjenes „Land vor unserer Zeit“ zu begeben. Auch Mitten in Deutschland war es wild: unzählige Urtiere haben ihre Spuren hinterlassen. Neben dem weltberühmten Superstar-Fossil Archaeopteryx aus Solnhofen stellt Autor Armin Schmitt auch die mannigfaltigen Saurierfährten im niedersächsischen Münchehagen vor, die jedes Jahr aufs Neue viele Menschen begeistern. Denn Armin Schmitt ist eine Koryphäe der Paläontologie und weltweit für sein Fachgebiet im Einsatz unterwegs. Sei es auf den abgelegensten Schotterpisten Argentiniens auf der Suche nach fossilen Überresten oder in der Wüstenwelt Nevadas, wo man ironischerweise ausgerechnet den wasserbewohnenden Ichthyosauriern auf die Spur kommen kann. Unverblümt berichtet er aus der internationalen Forschungspraxis anhand von vielen anschaulichen Beispielen.
Lernen Sie Borealopelta, die erstaunlichste Dinosauriermumie der Welt, kennen. Gerade wegen seiner verschlafen wirkenden Optik ist das perfekt erhaltene Fossil auch als Dornröschen unter den Dinos bekannt. Finden Sie zudem heraus, wie man Steißhühner dazu bringt, Bewegungsmuster zu erlernen, die ihren prähistorischen Vorfahren dabei geholfen haben, die ersten Flugversuche zu unternehmen. Erfahren Sie zudem neue Erkenntnisse darüber, warum Spinosaurus eben kein überdimensionierter Molch war und was sein Rückensegel über die Wasserergonomie dieses so seltsamen wie schaurig schönen Wesens verrät. Und natürlich wird auch der wichtigsten Frage überhaupt auf den Grund gegangen: wer hätte sich im titanischen Kampf Spinosaurus vs. Tyrannosaurus als Sieger behaupten können?
GROSSARTIGE GIGANTEN ist zwar der Titel des Sachbuchs, doch Armin Schmitt lehrt uns, dass gerade auch die kleinen und winzigen Funde, sei es ein Knochenfragment oder ein Einschluss im Bernstein, zu bahnbrechenden neuen Erkenntnissen führen können. Und nicht zu vergessen: die Dinosaurier waren nicht alle sämtlich groß und gewaltig. Sondern auch winzig klein wie Microraptor, ein gefiedertes Leichtgewicht, das Schätzungen zufolge weniger als 1 kg gewogen haben soll. Daher wird die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus diesem Buch vermutlich sein, dass die Dinosaurier gar nicht so ausgestorben sind, wie es immer den Anschein hat, sondern noch direkt unter uns weilen – mal größer, mal kleiner, mal flauschig, mal wehrhaft, aber stets mit einer gehörigen Portion Intelligenz ausgestattet -in Gestalt der Vogelwelt, wie wir sie kennen. Nehmen Sie sich also ruhig etwas Zeit, wenn Sie demnächst die Chance haben, die Dinosaurier der Moderne in freier Wildbahn zu erleben: es können die Spatzen im eigenen Garten, die Tauben am Bahnhof oder die Elstern im Stadtpark sein.
Ein Tipp von Ann-Kristin Kemna