Kassel nimmt seit November 2022 am Förderprogramm "Bildungskommunen" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) Plus teil. Zuvor hat die Stadt bereits am Programm "Bildung integriert" des BMBF teilgenommen, das mit der gesamtstädtischen Strategie "Kassel bildet" verknüpft wurde. Außerdem ist die Stadt Modellkommune im bundesweiten Verbundprojekt "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE).
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1. Gespräch: Digitale Bildung in Zeiten von und nach Corona
Was jahrelang kontrovers diskutiert und mit dem Digitalpakt im vergangenen Jahr endlich angestoßen wurde‐ das digitale Lehren und Lernen –, muss plötzlich durch die Corona‐Pandemie flächendeckend praktiziert werden.
Und nicht nur der Schul‐ und Unterrichtalltag hat sich verändert, sondern auch das, was sonst Kitas, Grundschulen und weiterführende Schulen als Lern‐ und Begegnungsorte ausmacht. Das soziale Lernen mit Gleichaltrigen und der Kontakt zu außerfamiliären Bezugspersonen war unterbrochen. Die Kernfamilie war auf einmal für alles und rund um die Uhr zuständig: Betreuung, Versorgung, Bildung.
Die Stadt Kassel startet die neue Gesprächsreihe „Bildung im Gespräch“ aus diesem Anlass mit dem Thema „Corona – die große Zäsur in der digitalen Bildung?“ Dabei sollen in Zukunft regelmäßig regionale Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen zu Bildungsthemen miteinander ins Gespräch kommen. Die Auftaktveranstaltung nutzt das Schuljahresende für eine Zwischenbilanz.
Studien bestätigten, dass bekannte Bildungsungleichheiten durch die Corona‐Pandemie noch einmal verschärft werden. Problematische Aspekte sind teilweise schlechte Rahmenbedingungen für das digitale Lernen – insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu geeigneter Hard‐ und Software und stabilem Internet, mangelnde Unterstützung durch die Eltern, aber auch fehlende Kompetenzen für den Einsatz digitaler Werkzeuge bei Lehrkräften und Lernenden. Zunehmend mehren sich Stimmen, die den langfristigen Auswirkungen der Einschränkungen auf Kinder und Jugendliche warnen. Deshalb steht die Öffnung zum Regelbetrieb von Kitas und Schulen ganz oben auf der politischen Agenda.
„Corona‐Pandemie könnte ungleichen Bildungschancen noch verstärken“
Die Erfahrungen aus den vergangenen Wochen – auch in Kassel – bestätigen dies. „Die Corona‐Pandemie könnte die ungleichen Bildungschancen noch verstärken“ bestätigt Jugend‐ und Bildungsdezernentin Ulrike Gote, „denn Kinder aus sozial und wirtschaftlich belasteten Haushalten brauchen ganz besonders die Förderung in Einrichtungen und Schulen. Viele von ihnen haben oft keinen geeigneten Arbeitsplatz zu Hause, kein digitales Endgerät wie Tablet oder Laptop für die Erledigung der Aufgaben im Distanzunterricht. Oft musste mit dem Smartphone improvisiert werden bei wenig stabilem Internetzugang. So entstehen Lerndefizite, die nur schwer wieder aufzuholen sind.“
In der ersten Gesprächsrunde geht es deshalb um den Austausch über die gewonnenen wertvollen Erfahrungen aus der Praxis zum digitalen Distanzlernen und um erste Perspektiven für die Zukunft des Lernens sowie den Fortgang der Umsetzung des Digitalpakts für Schulen in Kassel. Darüber spricht Doro‐Thea Chwalek, Mitarbeiterin in der Abteilung Bildungsmanagement und Integration im Amt für Schule und Bildung, mit folgenden Gästen: Ulrike Gote, Dezernentin für Jugend, Frauen, Gesundheit und Bildung; Bernd Heger, Leiter der Abteilung Schulentwicklungsplanung und IT an Kasseler Schulen; Dirk Nöding, pädagogischer Mitarbeiter des Übergangsmanagements der Stadt Kassel an der Offenen Schule Waldau; Madlen Fleck, Lehrerin an der Grundschule am Wall sowie David Bösl, Sprecher des Stadtschülerrats.
2. Gespräch: Digital bilden – Digital für alle
Mit einem Appell wirbt die Initiative „Digital für alle“ für mehr Anstrengungen, um die digitale Teilhabe aller Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung, Herkunft, Behinderung oder Einkommen nachhaltig zu stärken. Auch in Kassel beteiligten sich Bildungseinrichtungen zum Digitaltag am 18. Juni mit vielfältigen niedrigschwelligen Angeboten, die Zugang zu digitalen Technologien und das Erleben und Ausprobieren in den Mittelpunkt stellten.
Wie Bildung der digitalen Spaltung entgegenwirken kann, war Thema der neuen Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Bildung im Gespräch“ mit Heinz Dieter Hirth, Leiter des Medienzentrums Kassel und Lehrer an der Oskar‐von‐Miller‐Schule, Kai Ulrich Bißbort (Bathildisheim e.V.) verantwortlich für das PIKSL Labor in Kassel und Jenny Giambalvo‐Rode, Volkshochschule Region Kassel und hauptamtlich dort für den Programmbereich Sprachen zuständig. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Doro‐Thea Chwalek, Mitarbeiterin im Amt für Schule und Bildung.
„Digitale Bildung benötigt technische Ausstattung, geht aber viel weiter“, betont Ulrike Gote, Bildungsdezernentin der Stadt Kassel. „Digitalisierung verändert unseren Alltag und unser Berufsleben so tiefgreifend und rasant, dass Jede und Jeder in die Lage versetzt werden muss, sich souverän und sicher, selbstbewusst und selbstbestimmt in der digitalen Welt zu bewegen. Es liegt in unser aller Verantwortung, dass wir nicht den Blick auf diejenigen vernachlässigen, die den Zugang zu digitalen Technologien nicht haben.“
Wie Menschen sich informieren, einkaufen, lernen, miteinander kommunizieren, ärztlichen Rat einholen oder Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung in Anspruch nehmen – dafür brauchen sie digitale Kompetenzen. Um im digitalen Wandel die Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen und über die ganze Bildungskette von der frühkindlichen Bildung bis in die Erwachsenenbildung auszubauen, braucht es bedarfsgerechte Angebote in allen Bereichen der Bildung. Obwohl ein Großteil der Menschen in Deutschland zu den Onlinern gehört, können viele mit der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland nicht Schritt halten. Ein Sechstel (17 Prozent) empfindet das Tempo als zu schnell. Das ergab eine repräsentative Befragung von Menschen über 16 Jahren im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Alle Bildungseinrichtungen sind daher gefordert, die digitale Transformation zu begleiten.
„Wir lernen immer weiter und auch viel voneinander und von Menschen, die unsere Angebote wahrnehmen“ war das Resümee der drei Gesprächsgäste. Sie wünschen sich noch mehr Vernetzung und Austausch mit anderen Bildungsanbietern darüber, wie die Förderung von digitaler Teilhabe für alle gelingen kann.
3. Gespräch: Offen für (Mehr) Sprache
In Kassel ist die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Kita, Schule und Jugendförderung schon lange Realität. Der kreative Umgang mit Vielfalt als Potenzial und eine gute Umsetzung von Sprachförderung – bei Kindern gemeinsam mit den Familien – bleiben eine Herausforderung.
Bildungssprachliche Fähigkeiten bilden die wesentliche Grundlage für erfolgreiche Bildungswege – für Kinder, Jugendliche und für Erwachsene. Vorhandene Mehrsprachigkeit kann dabei als Vorteil genutzt werden, wenn gleichzeitig Konzepte die Nachteile ausgleichen. Vor allem braucht es niedrigschwellige Gelegenheiten und Räume, um Sprachkenntnisse anzuwenden. Sprachen müssen gesprochen werden, eine gemeinsame Sprache ist Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis. Sprachen lernt man am besten gemeinsam und kontinuierlich, mit Respekt und Sensibilität.
Eine zentrale Rolle für einen erfolgreichen Spracherwerb spielen funktionierende Netzwerke der Bildungspartner und der Austausch der Fachkräfte. In der Gesprächsrunde kommen Fachkräfte aus unterschiedlichen Bildungseinrichtungen zu Wort und berichten aus ihrer jeweiligen Perspektive, wie sie Kinder, Jugendliche oder Erwachsene dabei unterstützen, deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben und welche Hürden es noch abzubauen gilt. Mit dabei sind Anne Nagel (Kulturzentrum Schlachthof e.V.), Ute Moldenhauer (Staatliches Schulamt Kassel), Charlène Hackley (Stadt Kassel, Abteilung Bildungsmanagement und Integration) und Jessica Malorny (städtische Kita Landaustraße).
4. Gespräch: Eine Zwischenbilanz nach fünf Jahren
Rund 100 Akteurinnen und Akteure aus Schule, Kita, Elternschaft, Politik und Verwaltung sowie aus Vereinen, Verbänden und der Universität haben bei der Online‐Veranstaltung „Erfahrungen verknüpfen, Kräfte bündeln, auf dem Weg bleiben“ nach fünf Jahren als Modelregion Bilanz gezogen.
In dem Projekt, das 2015 begann, ging es um die konkrete Umsetzung der inklusiven Bildung in Kassel. Dafür wurden Landesmittel und kommunale Ressourcen bereitgestellt. Das Projekt hat zu vielen Veränderungen geführt. Mittlerweile abgeschlossen, wird aber weiterhin auf das Ziel hingearbeitet. Die Strukturen dafür sind geschaffen. Das wurde bei der Veranstaltung deutlich.
Im zweiten Teil der digitalen Veranstaltung wurde das Format „Bildung im Gespräch“ integriert. Doro‐Thea Chwalek, Abteilung Bildungsmanagement und Integration der Stadt Kassel, moderierte die Gesprächsrunde mit Akteurinnen und Akteuren der Kasseler Bildungslandschaft.
Gäste waren neben Annette Knieling, der Leiterin des Staatlichen Schulamts für den Landkreis und die Stadt Kassel, auch Christoph Bachmann vom Kasseler Bündnis Inklusion, Stadtschulsprecherin Marie Haller, Andrea Michel vom Gesamtpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer sowie Gabriele Steinbach, Leiterin des Amtes für Schule und Bildung und Katja Schöne. Die Stadt Kassel als Schul‐, Jugendhilfe‐ und Sozialhilfeträger auf der einen Seite und das Staatliche Schulamt auf der anderen Seite haben von Beginn an eng zusammengearbeitet. Die Erfolge sind an vielen Schulstandorten zu sehen. „Gleichzeitig gibt es noch viel zu tun. Wir haben Menschen mit unterschiedlichsten Professionen und aus unterschiedlichsten Institutionen für die gemeinsame Arbeit gewonnen,“ so Gabriele Steinbach, Leiterin des Amtes für Schule und Bildung. „Es sind Strukturen geschaffen und Verantwortlichkeiten festgelegt. Der weitere Weg ist beschrieben. Ich bin sicher, dass wir auch in den kommenden Jahren die Umsetzung der Inklusiven Bildung weiter voranbringen werden.“
Gleichermaßen zufrieden äußert sich Leiterin Knieling vom Staatlichen Schulamt: „Durch die Modellregion wurden zahlreiche Kooperationen und Entwicklungsprozesse in schulorganisatorischen und unterrichtlichen Bereichen angestoßen. Exemplarisch dafür steht die Einrichtung des regionalen BFZ der Astrid‐Lindgren‐Schule Kassel, um für alle allgemeinen Schulen eine möglichst umfassende Unterstützung des inklusiven Unterrichts zu ermöglichen.“
5. Gespräch: Hoch-höher-qualifiziert?! Bildungswege zugewanderter Erwachsener – Hürden und Potenziale
Wie erleben Menschen, die im Herkunftsland bereits eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben, qualifizierende Bildungsangebote in Deutschland? Die Nichtanerkennung ihrer Zertifikate, Abschlüsse und Kompetenznachweise führt neben dem Besuch von Sprach- und Integrationskursen oft zu Teilnahme an formalen Bildungsangeboten als notwendige erneute „Re-Qualifizierung“ für den deutschen Arbeitsmarkt. Wo liegen hier Hürden als auch Potenziale – beispielsweise zur biografischen Neu-Orientierung? Welche Stellschrauben können wir in Kassel in der Bildungslandschaft der unterschiedlichen Träger neu justieren, um Zugänge zu Bildungsangeboten und zum Arbeitsmarkt zu erleichtern?
Mit diesen Fragen beschäftigte sich die von Doro-Thea Chwalek, Abteilung Bildungsmanagement und Integration, moderierte Gesprächsrunde zur Interkulturellen Woche 2022. Zu Gast war Dr. Milena Prekodravac vom Soziologischen Forschungsinstitut der Universität Göttingen (SOFI). Sie hat für ihre Forschungsarbeit über Bildungsbiografien Interviews mit im Ausland qualifizierten Erwachsenen geführt und stellte in einem kurzen Impuls ihre Ergebnisse vor. Ergänzt wurde die wissenschaftliche Perspektive durch die Erfahrungen von Fachkräften aus unterschiedlichen Bildungseinrichtungen aus Kassel, die während des Podiumsgesprächs zu Wort kamen. Hacer Toprakoglu, Geschäftsführerin BiSI - Bildung und Soziale Innovation gGmbH, Kassel - berichtete von den Erfahrungen aus den verschiedenen Bildungsangeboten ihrer Einrichtung, Kay Komkov als einer der Berater des Team Nordhessen der Mobilen Anerkennungsberatung (MoAB) zeigte die Hürden auf, die immer noch im Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Qualifikationen liegen.
Omar Dergui vom Team der Bildungsberatung angesiedelt beim Hessencampus Region Kassel ergänzte dies mit Eindrücken aus seiner Praxis und Teslihan Ayalp fasste als Integrationsbeauftragte der Stadt Kassel, die Herausforderungen insgesamt zusammen, um mit Wertschätzung und Anerkennung zugewanderten Erwachsenen den Weg in die Stadtgesellschaft und in den Arbeitsmarkt zu ebnen. Dies muss angesichts des Fachkräftemangels in vielen Branchen in Zukunft noch besser und bedarfsgerecht gelingen. Die vielen Beiträge und Fragen aus dem Publikum verwiesen auf weiteren Handlungsbedarf.
6. Gespräch: Fit für die digitale und nachhaltige Zukunft
Die vier „D“ – Dekarbonisierung, Demografie, Diversität und Digitalisierung -verändern die Gesellschaft, die Wirtschaft und unser Zusammenleben spürbar und mit Tempo. Mit Bildung lässt sich die sozial-ökologische Transformation gestalten und Menschen individuell stärken. Die Pandemie nehmen wir rückblickend als wegweisende Zäsur wahr. Wie kann das Bildungssystem angesichts von komplexen und dynamischen Veränderungsprozessen resilient werden? Wie sollten Räume und Bedingungen beschaffen sein, die Menschen – jung und alt - ermöglichen, das Wissen, die Fähigkeiten und die Einstellungen zu erwerben und ihre Potentiale zu entwickeln, um wirksam mit diesen Herausforderungen und zentralen Zukunftsaufgaben umzugehen?
In der sechsten Gesprächsrunde geht es deshalb um Fragen nach Fähigkeiten und Kompetenzen zur Gestaltung der Zukunft. Wie kann pädagogisches Personal diese Aufgabe begleiten und wie müssen Lernorte gestaltet sein, um Zukunftskompetenzen praktisch zu vermitteln? Darüber spricht Doro‐Thea Chwalek, Mitarbeiterin in der Abteilung Bildungsmanagement und -planung im Amt für Schule und Bildung, mit folgenden Gästen: Rico Janusch (FUTURSpace); Boris Reichenbach (Staatliches Schulamt Kassel); Dr. Ellen Christoforatou (Zentrum für Lehrer:innenbildung der Universität Kassel); Sabine Aue (Handwerkskammer Kassel); Julius Jasperbrinkmann (Stadtschülerinnen- und schülerrat).
7. Gespräch: Gemeinsam Freude am Lesen wecken!
Sprache und Lesen sind zentrale Schlüsselkompetenzen für einen erfolgreichen Bildungsweg. Es gibt eine Reihe an Studien, die uns einen großen Handlungsbedarf bescheinigen. So hat die LEO Studie ergeben, dass in Deutschland mehr als 6 Millionen gering literalisierte Erwachsene leben, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben. Auch die internationale Grundschul-Leseuntersuchung IGLU berichtet, dass jede vierte Viertklässlerin und jeder Viertklässer am Ende der Grundschulzeit nicht ausreichend lesen kann und beim Schulwechsel in die weiterführende Schule große Hürden zu bewältigen hat.
Wie können wir in Kassel die Entwicklung von Lesekompetenz unterstützen, die Freude am Lesen (wieder) wecken und nachhaltig fördern? Darüber sprechen wir in der sechsten Gesprächsrunde mit folgenden Gästen und Gästinnen: Alena Lorenz-Krause (Kennenlern-Laden/ Wissen am Stern), Stephan Illigmann (Ahnatal-Schule), Friedrich Lammers (Volkshochschule), Sarah Bärthel (Sprachkita Forstbachweg) und Knut Hoffmann (Stadtbibliothek).