Auslandspraktikum in Västerås

In einem interessanten Erfahrungsbericht schildert Sarah Bierschenk ihre Erlebnisse, die sie während eines Auslandspraktikums in der Stadt Västerås in Schweden gemacht hat. Das Auslandspraktikum fand in der Zeit vom 30. September bis 28. Oktober statt.

Ein Erfahrungsbericht von Sarah Bierschenk

Die Stadt Kassel ermöglicht seit einigen Jahren den Anwärtern des gehobenen Dienstes im Rahmen des Praktikums 3 im 4. bzw. 5 Semester einen Teil im Ausland zu absolvieren. Hierbei erhält man in den Kasseler Partnerstädten Rovaniemi, Västerås oder Mulhouse einen Einblick in die Tätigkeiten einer europäischen Stadtverwaltung oder im schottischen Ayr einen Einblick in ein Energieberatungsunternehmen des öffentlichen Dienstes. Der Auslandsaufenthalt erstreckt sich in der Regel über 4 Wochen, mit Ausnahme von Mulhouse, wo ein 2-wöchiges Praktikum vorgesehen ist.

Ich begann am 30. September 2017 meine Reise in das schöne Västerås. Für vier Wochen durfte ich in die Stadtverwaltung Västerås reinschnuppern und das Arbeiten, die Leute und natürlich auch das Leben dort kennenlernen. Die Stadt Västerås liegt in Schweden an einem Schnittpunkt zwischen Land und Wasser. Genauer gesagt dort, wo sich der Mälarsee und die Provinz Västmanland treffen. Västerås befindet sich etwa eine Stunde Fahrt von Stockholm. Derzeit leben etwa 130.000 Menschen in der Stadt.

Das Arbeiten in dem Stadshus

Natürlich kann man in dieser kurzen Zeit, nicht direkt in eine Abteilung/ ein Sachgebiet, wie es bei der Stadtverwaltung Kassel in der Regel üblich ist, mit eingebunden werden und eigenständig Aufgaben übernehmen. Die Stadtverwaltung Västerås verfolgt jedoch ein sehr bewährtes Konzept, indem dem Austauschstudenten unterschiedlichste Bereiche für jeweils einen Tag beziehungsweise mehrere Stunden näher gebracht werden. Hierdurch erhält man einen Überblick über verschiedene Tätigkeiten die von der Stadtverwaltung übernommen werden und darf bei Besprechungen teilnehmen.

Unterschiede und Besonderheiten

Durch die Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Stadtverwaltung konnte ich Unterschiede zwischen Schweden zu Deutschland sowie einige Besonderheiten ausfindig machen.

  • Anrede der Mitarbeiter: In Schweden sprechen sich alle mit dem Vornamen an. Selbst wenn man zuvor kein Wort mit der Person gewechselt hat, wird man geduzt und mit dem Vornamen angesprochen. Mit Ausnahme der Mitglieder des schwedischen Königshauses, die nicht geduzt werden. Stattdessen spricht man sie in der dritten Person an, z.B. „Wie geht es der Kronprinzessin?“.
  • Zugang zu den Büros und dem Internet: Der Eingang in die Büros liegt hinter einer Glastür. Nur nach Eingabe eines Codes, der jeden Tag am Empfang neu erfragt werden muss, kommt man in diesen Bereich. Somit soll die Sicherheit der Mitarbeiter erhöht werden. Das gesamte Rathaus ist mit Wi-Fi ausgestattet, wozu man Zugangsdaten benötigt, die man ebenfalls am Empfang erhält.
  • Kommunikation: Alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung können ausgezeichnet Englisch und einige sogar ein wenig Deutsch. Die Deutsch-Kenntnisse erstreckten sich jedoch nur über ein paar Jahre in der Jugend, sodass die Mitarbeiter kaum noch Deutsch sprechen können, es aber gut verstehen. Anders sieht es mit Englisch aus. Dies kommt überwiegend daher, dass es wenig schwedisches Fernsehen gibt. Die Schweden schauen aus diesem Grund die meisten Filme und Serien in Englisch mit schwedischem Untertitel, sodass sie fast täglich mit Englisch konfrontiert sind.
  • Mittagspause und Mittagessen: Die Mitarbeiter nehmen ihr Mittagessen in dem Restaurant ein oder gehen in einen Aufenthaltsraum, um mitgebrachte Speisen zu verzehren. In dem Gemeinschaftraum gibt es Kühlschränke, Kaffeemaschinen und Mikrowellen. In der Regel nehmen sie sich Essen von zuhause mit und wärmen es in der Mikrowelle auf. In dem Raum steht täglich frisches Obst bereit.
  • Fika: Dies bezeichnet einfach erklärt, eine Kaffeepause mit Gebäck, die man am liebsten mit anderen Personen gemeinschaftlich verbringt. In dem Stadshus findet vormittags und nachmittags jeweils die „Fika“ statt. Die Zeit der „Fika“ variiert zwischen 15 bis 45 Minuten und ist offiziell Arbeitszeit. Die Mitarbeiter treffen sich hierzu in einem extra Bereich und sollen dort in einen Austausch gehen, um Beziehungen und Kontakte untereinander zu pflegen sowie mögliche Fragen auf einem kurzen Weg klären zu können. Innerhalb der Fika-Zeit müssen die Mitarbeiter jedoch telefonisch erreichbar sein und es ist nicht unüblich auf Grund der Arbeit nicht an der gemeinsamen Zeit teilnehmen zu können.
  • Duales System: In Schweden existiert kein Duales-Studiensystem. Die Studenten besuchen lediglich die Hochschule und müssen nach Beenden des Studiums dann in einen Beruf starten. Dies ist sehr schwierig und ein großer Schritt für die Studenten. Ebenso sieht es bei den Ausbildungsberufen aus, wobei hier jedoch der theoretische Teil komplett entfällt. Die Auszubildenden durchlaufen das Unternehmen praktisch und werden somit auf das Berufsleben vorbereitet.
  • Sport an der Arbeit: Alle Mitarbeiter erhalten eine Stunde in der Woche frei, um sich sportlich zu betätigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man gerne Joggen geht, Yoga macht oder sich anders körperlich betätigt. Die Stadt profitiert davon, dass die Mitarbeiter durch den Sport fokussierter sind und größere Fehlzeiten vermieden werden können.
  • Weihnachtsgeschenk: Jeder Mitarbeiter erhält Weihnachten ein kleines Geschenk, um seitens der Stadt die Arbeit und das entgegengebrachte Engagement zu würdigen.
  • Teamarbeit: Innerhalb der Arbeit gibt es viele Teams und Meetings. Viele Personen haben viele Ideen und können diese besser zusammen umsetzen. Hierbei spielt die Transparenz innerhalb der Abteilungen eine große Rolle, um ein partnerschaftliches Arbeiten zu ermöglichen.
  • Vision „Beeindruckte Kunden, Mitarbeiter und Eigentümer“: Des Weiteren verfolgt die Stadtverwaltung die Vision, dass ein Treffen mit einem Mitarbeiter immer positiv in Erinnerung bleiben soll. Ganz egal, ob es sich dabei um ein Treffen innerhalb der Organisation oder außerhalb handelt.
  • Digitalisierung: Die Mitarbeiter arbeiten kontinuierlich an einer zunehmenden Digitalisierung, obwohl dies bereits gut in die Arbeitsabläufe integriert ist. Aktuell besitzt jeder Mitarbeiter einen Laptop, der an dem Arbeitsplatz mit einem Monitor verbunden ist. Für Meetings wird der Laptop mit einem Klick von der Ladestation entfernt und in einer Tasche mitgenommen. Somit haben die Mitarbeiter überall und zu jeder Zeit Zugriff auf ihre Dateien und Kalender. Die Büros kommen fast ohne Papier aus, da soweit wie möglich alles digital oder online vorhanden ist.

Herausforderungen und Erfahrungen

Der Auslandsaufenthalt machte es nötig, sich von seiner Muttersprache loszulösen und ins Englische

zu wechseln. Dies scheint im ersten Moment eine große Herausforderung zu sein, jedoch kann man

dies nutzen, um aus der eigenen Komfortzone heraus zu kommen und neue Erfahrungen zu sammeln.

Der Alltag wurde um einiges erleichtert, da jeder Schwede ausgezeichnet Englisch sprechen

kann, sodass man bei Nachfragen jeden ansprechen kann und sofort Hilfe bekommt. Die Schweden

sind äußerst hilfsbereit. Auch der Alltag ist im Gegensatz zu Deutschland ein wenig anders strukturiert.

Die „Fika“ nimmt eine große Stellung im Alltag ein, sodass man zu der Zeit einen regelrechten

Ansturm in den Kaffees beobachten kann.

Rückblick

Vor Antritt meiner Reise machte sich ein mulmiges Gefühl in mir breit. Eine Mischung aus Unsicherheit, Stolz diesen Schritt zu wagen, Wissbegierde und einem klein wenig Angst begleitete mich bereits zwei Wochen vor dem Auslandsaufenthalt. Doch all die ganzen negativen Gedanken waren umsonst, denn die Menschen in Schweden und besonders in Västerås sind aufgeschlossen und äußerst freundlich. Man konnte dort so viel erleben, von dem man noch seinen Kindern erzählen wird.

Sarah Bierschenk

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