Friedrich Nebelthau, 1864 bis 1875

Erst nach "Allerhöchster Bestätigung des Königs von Preußen", die am 3. Juli 1866 durch den General – Gouverneur von Kurhessen, den Königlich Preußischen General der Infanterie Franz von Werder, der Stadt übermittelt wurde, durfte der 60-jährige Friedrich Nebelthau (22.1.1806 bis 31.7.1875) sein Amt antreten.

Friedrich Nebelthau

Oberbürgermeister unter Kurfürst, König und Kaiser

Vier Wochen darauf erfolgte seine Vereidigung. Tatsächlich alölerdings hatte Nebelthau des Oberbürgermeisters schon fast zwei Jahre innegehabt, obwohl die durch die Kurhessische Gemeindeordnung vorgeschriebene Bestätigung durch den Landesherrn, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Hessen, ausgeblieben war. Warum der Kurfürst die Bestätigung verweigerte, war offensichtlich: Nebelthau setzte sich seit langem dafür ein, dass sich der selbständige kurhessische Staat an das Königreich Preußen anschloss. Als dies im Juni 1866 tatsächlich geschah, bezeichneten ihn die verbliebenen Anhänger des Kurfürsten als einen der "Totengräber" Kurhessens. Sie fanden aber in der Bevölkerung, in der der alten Verbündete und moderne Industriestaat Preußen einen guten Ruf hatte, auf wenig Widerhall. 

Nebelthaus kommunale Laufbahn hatte 20 Jahre früher begonnen: Als Beigeordneter und Vizebürgermeister hatte er schon 1845 bis 1852 und 1856 bis 1863 in führender Position bei der Regelung und Verwaltung städtischer Angelegenheiten mitgewirkt.

Friedrich Nebelthau war aber nicht nur auf kommunalem Gebiet sehr aktiv, auch auf der politischen Bühne des kurhessischen Staates spielte er eine bedeutende Rolle. Seiner politischen Gesinnung nach war er Liberaler, das bedeutete damals: er gehörte zur Opposition, die die Verfassung von 1831 durchgesetzt hatte und nun in ständigen, mehr oder minder kleinlichen Auseinandersetzungen um die wortwörtliche Erfüllung der Verfassung rang. Seit 1836 war Nebelthau Abgeordneter, seit 1860 zeitweise Präsident der Ständeversammlung, die im Ständehaus am Ständeplatz ihre Debatten und ihren Kampf um die Verfassung austrug. Kein Wunder also, dass der Kurfürst alle Register zog, diesen Mann zu bremsen!

Noch war die "Einverleibung" des Kurfürstentums Hessen in den preußischen Staat nicht offiziell durch Proklamation vollzogen, da machte sich am 22. August 1866 Oberbürgermeister Friedrich Nebelthau an der Spitze einer städtischen Delegation auf den Weg in die preußische Landeshauptstadt Berlin, um König Wilhelm die Ergebenheit der Stadt Kassel zu versichern, aber auch den König um angemessene Positionierung der Stadt bei der Neugestaltung des "einverleibten" Landesteils zu bitten. Der König sagte unter anderem zu, dass Kassel stets so bevorzugt behandelt werde, wie es "der Hauptstadt eines so ansehnlichen Landes und namentlich auch in Rücksicht auf deren günstige Lage und sonstigen Vorzüge zukäme". Privat hatte sich der König aber etwas überrascht gezeigt, so übertrieben schnell die Spitzen der Stadtverwaltung der ehemaligen Landeshauptstadt Kassel bei sich zu sehen. Auch in Kassel selbst wurde diese Reise von vielen als übereilt angesehen, doch letztendlich war sie wohl ein Erfolg.

Denn Kassel wurde 1867 Sitz des preußischen Regierungspräsidiums, aber auch Sitz des Oberpräsidenten der Provinz Hessen – Nassau und vieler anderer preußischer Landesbehörden. Aber die Stadt entwickelte sich in dieser Zeit nicht nur zur Beamtenstadt. Von dem Fabrikanten Carl Keerl war die Anregung zu einer Industrie - Ausstellung in Kassel ausgegangen. Den Vorsitz des geschäftsführenden Ausschusses übernahm Oberbürgermeister Nebelthau. Die von 1. Juni bis 5. Oktober 1870, veranstaltete "Allgemeine Industrie -Ausstellung", die zum Teil während des deutsch-französischen Krieges stattfand, bewies trotzdem große Anziehungskraft und brachte wirtschaftliche Impulse für Kassel. Der daran anschließende Boom der Gründerjahre (1871 – 1873) leitete auch für Kassel eine neue Phase der Industrialisierung ein.

Nicht immer fand Oberbürgermeister Nebelthau die Zustimmung der preußischen Aufsichtsbehörden. Im Jahre 1873 ordnete er an, dass nunmehr Kassel, statt des bisher gebräuchlichen Cassel, zu schreiben sei. Der Magistrat stützte sich auf sprachwissenschaftliche Gutachten der Bibliothekare Dr. Schubart und Dr. Altmüller. Doch vom preußischen Innenministerium kam die Anordnung: "Angesichts des überwiegenden und besonders des amtlichen Gebrauchs sei Cassel die richtige Schreibweise." So dauerte es bis zum Jahre 1926, bis die Kasseler Stadtverordneten ohne Widerspruch von oben beschließen konnten, dass aus dem C ein K werden und unsere Stadt nun amtlich Kassel heißen sollte.

Der auf Lebenszeit berufene Oberbürgermeister Nebelthau starb 69jährig am 31. Juli des Jahres 1875. An den am 22. Januar 1806 in Kassel als Sohn eines Oberpostmeisters zur Welt gekommenen Friedrich Nebelthau erinnert heute eine Straße im Westen der Stadt. Seine Ruhestätte pflegt die Stadt als Ehrengrab.