Dr.rer.pol.h.c. Hans Herbert Stadler, 1925 bis 1933

Am 13. Juli 1925 wurde Herbert Stadler (30.4.1880 bis 17.2.1943) von der bürgerlichen Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung zum Oberbürgermeister gewählt und am 5. Oktober von Regierungspräsident Gustav Springorum in sein Amt eingeführt.

Herbert Stadler

Herbert Stadler – ein Mann des Ausgleichs

"Mein Amt, das mir durch Ihr Vertrauen übertragen ist, übernehme ich ohne jede parteipolitische Bindung und werde es in diesem Sinne führen .... Ich erblicke Wert und Bedeutung jeder verwaltenden Tätigkeit in vorurteilsfrei - objektiver Beurteilung von Menschen und Dingen und in unparteiischer, streng sachlicher Geschäftsführung."

Mit diesen grundsätzlichen Gedanken beschloss Stadler seine erste Rede als Oberbürgermeister, in der er vorher all die Probleme der Stadt erwähnt hatte, die ihm wichtig erschienen. An erster Stelle sprach er die soziale Fürsorge an, dann die Verringerung der Arbeitslosigkeit, außerdem die Errichtung neuer Wohnungen, den Ausbau des Fortbildungsschulwesens und natürlich auch die Ordnung der städtischen Finanzen. Diese Rangfolge ist erstaunlich, würde man sie doch eher bei einem Sozialdemokraten erwarten als bei einem preußischen Beamten, der zu den Liberalen Verbindung hatte. Gewählt worden war Stadler von den bürgerlichen Parteien, die bei der Kommunalwahl vom 4. Mai 1924 die Mehrheit im Stadtparlament errungen hatten.

Für die Stadtverordneten war der am 30. April 1880 in Mülhausen im Elsass geborene Jurist Herbert Stadler kein ganz Unbekannter. War er doch von 1920 bis 1923 Ministerialrat im Reichsministerium des Innern in Berlin und von 1923 an Regierungsvizepräsident in Kassel gewesen. Ausschlaggebend war jedoch, dass Stadler vor seiner Berliner Tätigkeit in verschiedenen kommunalen Ämtern Erfahrungen hatte sammeln können, unter anderem als Kreisdirektor in Gebweiler und Polizeidirektor in Metz.

Stadler verstand es vor allem, ausgleichend auf die scharfen parteipolitischen Gegensätze im damaligen Kassel zu wirken und dadurch manches zum Gedeihen der Stadt zu ermöglichen. Während seiner Amtszeit schritt zum Beispiel die von Oberbürgermeister Koch-Weser begonnene und unter OB Scheidemann fortgeführte vielseitige Bau- und Siedlungspolitik gut voran. Es entstanden weithin gerühmte Bauwerke des Internationalen Stils, zum Beispiel die Heinrich-Schütz-Schule (1930), das Aschrott-Altersheim (1931) und die Rothenberg-Siedlung (1929-1931). 1929 wurde das große Hallenbad an der Leipziger Straße, ein Jahr zuvor am Tannenwäldchen die große Jugendherberge eröffnet. Arbeitslosen wurde im Süsterfeld Gelegenheit gegeben, sich ein Häuschen zu bauen (1932).

Positiv wirkte sich natürlich aus, dass die ersten Jahre von Stadlers Amtszeit mit einem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland zusammen fielen. Doch dann kam die Weltwirtschaftskrise, die mit Firmenzusammenbrüchen und schnell steigenden Arbeitslosenzahlen auch in Kassel ihre Opfer forderte. Im Januar 1932 legte die Lokomotivfabrik Henschel und Sohn für vier Monate das gesamte riesige Werk still! Zwar war Arbeitslosigkeit ein Faktor, auf dem Radikalismus gedieh, doch wäre der Weg in die NS-Diktatur nicht ohne die ideologische Unterstützung des überwiegend konservativ denkenden Bürgertums, nicht ohne den speziell in Nordhessen seit Jahrzehnten verankerten Antisemitismus möglich gewesen. Da Oberbürgermeister Herbert Stadler unbeschadet seiner überparteilichen Amtsführung als Demokrat und Mann des Rechtsstaates galt, war er für die Nazis, und vor allem den Vorsitzenden der NSDAP-Stadtverordnetenfraktion, Rechtsanwalt Roland Freisler, eine Person, die nach der sogenannten Machtergreifung nicht im Amt bleiben durfte. Der spätere Präsident des Volksgerichtshofes ließ am Mittag des 24.März 1933 die Eingänge des Rathauses von uniformierten Parteigängern besetzen und zwang den Oberbürgermeister der Stadt Kassel, Dr. h.c. Herbert Stadler, zum Rücktritt, vier Jahre vor Ablauf seiner zwölfjährigen Amtszeit.

So wurde in ideologischer Verblendung einer der fähigsten und für Kassel sehr erfolgreichen Oberbürgermeister aus dem Dienst unserer Stadt herausgedrängt. Immerhin war es ihm möglich, ein neues Tätigkeitsfeld zu finden. Der Sparkassen- und Giroverband für Hessen und Nassau ernannte ihn zu seinem Verbandsvorsteher. Als Stadler im Februar 1943 an einer Tagung in Berlin teilnahm, wurde er beim Überqueren einer Straße von einem Auto angefahren und so schwer verletzt, dass er kurz darauf starb. Auf dem Kirchditmolder Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte, die Stadt hat sie zum Ehrengrab erklärt.