KISS Interview: Trauma Selbsthilfegruppe

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2016

Wenn die Vergangenheit einen immer wieder einholt
Selbsthilfegruppe für traumatisierte Menschen bietet Verständnis und Rückhalt

Zwar existiert die Trauma Selbsthilfegruppe Nordhessen schon viele Jahre, doch im Herbst 2015 hörte der langjährige Leiter auf. Daraufhin fanden vorerst keine Gruppentreffen mehr statt. Doch der Neustart ist gelungen, zwei Frauen aus der alten Gruppe fanden sich im neuen Jahr bereit, die Gruppenleitung zu übernehmen. Zum Glück können nun der vertrauensvolle Austausch traumatisierter Menschen und die gegenseitige Unterstützung in der Gemeinschaft der Selbsthilfegruppe weitergehen.

Die Gruppe richtet sich an traumatisierte Menschen, die ein lebensbedrohliches Ereignis – beispielsweise einen Unfall, Gewalt beziehungsweise sexualisierte Gewalt, eine Naturkatastrophe, einen Überfall oder Vernachlässigung – erlebt haben und sich vollkommen überfordert, hilflos oder überwältigt fühlten. Trauma bedeutet Wunde oder Verletzung. Traumatisierte Menschen entwickeln oft erst viele Jahre nach dem eigentlichen Ereignis eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung (Ptbs), manche auch eine Depression, Persönlichkeitsstörung oder eine andere psychische Erkrankung.

Die Gruppe entscheidet über Themen Mittlerweile kommen durchschnittlich fünf Betroffene in die Gruppe für Frauen und Männer, die sich zweimal im Monat trifft. Neue Mitglieder sind willkommen. Allerdings ist ein telefonisches Vorgespräch notwendig und die Interessierten sollten bereits erste Klinik- oder Therapieerfahrung haben und stabil genug sein, um während der Gruppentreffen die eigene Belastung durch das Thema richtig einzuschätzen und, wenn notwendig, das Gespräch zu unterbrechen.

Die Gruppentreffen beginnen stets mit einem „Blitzlicht“. Jeder kann erzählen, wie es ihm geht und ob er gerne über ein Problem sprechen möchte. Die Gruppe entscheidet gemeinsam, welche Themen besprochen werden und legt eine Reihenfolge fest. Um sich gegenseitig nicht zu sehr zu belasten, wird nicht über das traumatische Erlebnis selbst gesprochen, sondern lediglich darüber, wie es sich im Heute auswirkt. Oft steht die gegenseitige Unterstützung bei Alltagsproblemen im Vordergrund. Dabei geht es zum Beispiel um die Suche nach einem geeigneten Therapeuten oder einer passenden Klinik, über Probleme im Umgang mit Ämtern und Behörden und häufig auch um zwischenmenschliche Beziehungen.

Beziehungen sind schwierig geworden Bei vielen Traumatisierten sind die Beziehungen zu Verwandten und Freunden schwierig geworden. Traumatisierte reagieren bisweilen bei Spannungen und Konflikten anders als Menschen ohne Traumatisierung. Meist können sie jedoch in dem Moment selbst nicht einschätzen, wieso sie so heftig oder seltsam reagiert haben. Ihre Reaktionen (je nach Art der Traumatisierung können dies zum Beispiel Erstarren, heftiges Weinen oder kindliche Verhaltensweisen sein) machen den zwischenmenschlichen Umgang jedoch komplizierter. Hinzu kommt die oft lange Krankheitsgeschichte vieler traumatisierter Menschen. Selbst nach vielen Therapien werden sie immer noch von der Vergangenheit eingeholt. Damit stoßen sie im Umfeld auf Unverständnis und ernten Reaktionen wie: „Vergiss doch den alten Kram mal“ oder „Hör doch endlich auf mit Therapie, das hat bisher ja auch nichts gebracht“.

Diejenigen, die in der Gruppe zusammenkommen, kennen diese Probleme aus eigener Erfahrung. Sie hören sich gegenseitig zu, reden über ihre Erfahrungen und helfen dabei zu verstehen, wie manche scheinbar überraschende Reaktion zustande gekommen ist. Und die Betroffenen bekommen Tipps, wie sie ihr Verhalten ändern und das Miteinander in ihren Beziehungen vereinfachen können. Denn in der Gruppe treffen sie auf Menschen, denen sie nicht lange erklären müssen, was Trauma bedeutet und erleben Verständnis und Rückhalt.
Text: Gruppenleitung

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