KISS Interview: Prostatakrebs Selbsthilfegruppe

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2020

Jedes Gruppenmitglied ist ein lebender Beipackzettel
Gruppe zu Prostatakrebs hilft bei Ängsten, informiert und hat regelmäßig einen Arzt zu Gast

Die Diagnose Prostatakrebs führt bei Erkrankten zu Fragen, Zweifeln und Zukunftsängsten. In dieser Situation ist Aufklärung und umfassende Information wichtig, um mit Unsicherheiten und Ängsten besser umgehen zu können. Eine Selbsthilfegruppe kann in vielerlei Hinsicht die Gesundheitskompetenz von Betroffenen stärken.

Diese Krankheit ist „heimtückisch“, sagt Werner Dunkel, Leiter der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs. Jahrelang kann der Krebs verschwunden sein, dann schlägt er möglicherweise wieder zu. Prostatakrebs hat viele Gesichter. Er ist bei Männern noch immer eine unbekannte Krankheit, die sie oft nicht wahrhaben wollen. Die Diagnose Krebs macht Angst, weil der Ausgang ungewiss und das Leben unmittelbar bedroht ist. Werner Dunkel erinnert sich, was er am Anfang für Gedanken im Kopf hatte. „Das ist das Ende“ zum Beispiel. Er verbrachte schlaflose Nächte.

Damals hätte er sich gleich nach der Diagnose Anschluss an eine Gruppe gewünscht, sagt er heute. Doch zur Selbsthilfe kam er erst nach seiner Operation. Die Gruppe hat ihn und die anderen Teilnehmenden gestärkt. Gestärkt durch Informationen und Hinweise. Selbsthilfe hat das angeknackste Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl verbessert, weil die Mitglieder über ihre Krankheit besser Bescheid wissen und damit unter anderem beim Arzt selbstbewusster auftreten können.

Austausch von Erfahrungen
Die Verunsicherung ist groß, viele Fragen schwirren im Kopf herum. Was passiert bei einer Chemo, wie funktioniert sie? Was bedeutet „Müdigkeit“ nach einer Chemo? Bin ich dauernd müde oder nur zeitweise? Welche Nebenwirkungen haben die Medikamente? Welche Behandlungen und Medikamente gibt es? Hat der Arzt mir das Richtige gesagt? Wo kann ich eine Zweitmeinung einholen? Bei allen diesen Fragen hilft der Erfahrungsaustausch und schafft ein wenig Sicherheit in einer Situation voller Unsicherheiten und Unwägbarkeiten. Die Gruppenmitglieder berichten aus ihrem Leben, jeder erzählt. Werner Dunkel formuliert es so: „Jedes Gruppenmitglied ist im Grunde ein lebender Beipackzettel.“

Offener Umgang mit Tabus
Prostatakrebs geht in doppelter Hinsicht unter die Gürtellinie. Er betrifft die Sexualität und ist lebensbedrohlich. Die Selbsthilfe ermöglicht, mit diesen Ängsten und den psychischen Auswirkungen besser umzugehen und sich zu öffnen. Die Erkrankten erleben Gemeinschaft – nicht alleine zu sein. Und sie stellen fest: Die Welt geht nicht gleich unter, es gibt Menschen, die mich stützen und auffangen und es gibt Menschen, die den Krebs überlebt haben. Ein wichtiger Schritt ist die Annahme der Krankheit, erzählt Werner Dunkel. Die Menschen in der Selbsthilfegruppe begleiten diesen Prozess der Annahme und des Umgangs mit der Angst.

Informationen und Wissen
Dazu gehören auch Informationen und Wissen über die Krankheit. Werner Dunkel hat Vorträge zu Palliativmedizin oder Hospizen organisiert und will weitere Themen aufgreifen. Ganz besonders wertvoll sind die drei bis vier Mal jährlich stattfindenden offenen Sprechstunden in der Gruppe mit Professor Dr. Björn Volkmer, Chefarzt der Urologie am Klinikum Kassel, die immer sehr gut besucht sind. Der Arzt beantwortet Fragen und zwar verständlich und aus Sicht des Fachmanns. Mitglieder der Selbsthilfe sind keine Mediziner, deshalb ist die Möglichkeit wertvoll, Antworten von einem Arzt zu bekommen. Das kann sogar lebensrettend sein. Neubetroffene haben oft keine Ahnung, was die Höhe ihres PSA Wertes bedeutet. Der Arzt erläutert, dass der PSA-Wert ein Testergebnis ist, bei dem die Wahrscheinlichkeit für ein Prostatakarzinom mit der Höhe zunimmt. So wird es für die Betroffenen nachvollziehbar, ob schnelle Hilfe durch eine Operation nötig ist.

Politisches Engagement und Öffentlichkeitsarbeit
Über die Dachorganisation, den Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe (BPS), stehen zahlreiche Informationen zur Verfügung. Flyer und eine Beratungshotline, Vorträge, Videos, Mails mit Links zu fachlichem Wissen, neuen Erkenntnissen, Behandlungsmethoden und Studien sorgen für die Möglichkeit, auf dem neuesten Stand zu sein und dieses Wissen weiterzugeben. Die Organisation über den Dachverband erleichtert auch öffentliches und politisches Engagement.

Werner Dunkel ist Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Prostatakrebs Selbsthilfe Hessen des BPS. Dieser setzt sich für ein regelmäßiges Screening von Männern zum Prostatakrebs ein, analog zum Brustscreening der Frauen. Früherkennung rettet Leben und spart im Endeffekt Geld, sagt Dunkel. Mit einer Kampagne für Früherkennung mit Plakaten und Flyern will der Verband die Öffentlichkeitsarbeit erleichtern. Mit der Teilnahme an den Selbsthilfetagen oder den Gesundheitstagen wollen Vertreter der Selbsthilfe die Männer informieren und motivieren, zu den Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Das alles zeigt: Patienten setzen sich über und in der Selbsthilfe auf den verschiedensten Ebenen ein.

Weitere Infos zu Prostatakrebs:
 www.prostatakrebs-bps.de (Öffnet in einem neuen Tab)
 www.prostatakassel.de (Öffnet in einem neuen Tab)

Mehr zur Gruppe finden Sie  hier (Öffnet in einem neuen Tab)