KISS Interview: Selbsthilfegruppe Migräne

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2022

Migräne stellt das Leben auf den Kopf
Attacken von pochenden und stechenden Kopfschmerzen – Selbsthilfe bietet Unterstützung

Fragt man Heike Lange nach den Auswirkungen von Migräne auf den Alltag, so sagt sie schlicht: „Ich bin frühberentet“. Die stellvertretende Leiterin der Migräne Selbsthilfegruppe Kassel ist nicht die Einzige, bei der Migräne ihre Lebensplanung und ihren Alltag auf den Kopf gestellt hat. Zehn bis 15 Tage pro Monat knockt die Erkrankung sie aus. Ab 15 Kopfschmerztagen monatlich gilt die Krankheit als chronisch.

Unberechenbare Attacken
In der Gruppe kommen Menschen mit schwerer Migräne zusammen. Sie müssen mit oft unberechenbaren Attacken von pochendem, stechendem Kopfschmerz leben, häufig verbunden mit Übelkeit und Erbrechen sowie einer Empfindlichkeit gegen Licht oder Geräuschen. Zehn bis 15 Prozent der Betroffenen haben im Vorfeld der Kopfschmerzen eine Aura. Sie kündigt die Kopfschmerzphase an und führt zu einer Beeinträchtigung der Wahrnehmung wie Seh-, Gefühls- und Sprachstörungen. Meist sind Ruhe und Rückzug notwendig. Manchmal ist Rückzug schwer möglich, wer beispielswiese Kinder hat, muss irgendwie durchhalten. Stress verstärkt die Attacken zusätzlich.

Heilbar ist die Erkrankung nicht. Antikörper-Therapie und Schmerzmittel lindern die Attacken, müssen jedoch verantwortungsbewusst dosiert werden, da sonst durch die Überdosierung von Schmerzmitteln ein Kopfschmerz entstehen kann, der sogenannte Medikamenten-Überdosierungs-Kopfschmerz (MÜK).

Ruhe und ein regelmäßiges Leben sind für Migränekranke wichtig, sagt Heike Lange. Ihre Migräne begann in den Wechseljahren, also relativ spät. Auslöser sind bei ihr Wetterumschwünge, besonders ein Wechsel zwischen warmem und kaltem Wetter. Schlafentzug oder Stress sind Trigger für Migräneattacken oder Zeitdifferenzen beispielsweise nach Langstreckenflügen. Schwindel und Müdigkeit stellen sich ein, ebenso wie der Kopfschmerz.

Auch für Angehörige offen
Der Austausch in der Selbsthilfegruppe über das gemeinsame Leiden tröstet und hilft. Eine WhatsApp Gruppe der Mitglieder ermöglicht schnelle Kommunikation und Kontakte. Diese WhatsApp Gruppe half über die Corona-Zeit hinweg. Mittlerweile finden wieder Treffen in Präsenz statt. Allerdings hat Corona zu einer geringeren Teilnahme geführt, die Gruppenleiterinnen hoffen, dass sich mit der Zeit wieder alle einfinden. „Im Schnitt kamen sonst 15 Mitglieder“, sagt Heike Lange.

Die Gruppe ist für alle offen, auch für Angehörige. Denn sie müssen die Erkrankung mittragen, was oft nicht leicht ist. Die Migräne macht so manche Verabredung zunichte. In der Gruppe tauschen die Teilnehmenden Erfahrungen zu unterschiedlichen Themen wie Kliniken, Therapeuten oder Ärzte aus. Info-Veranstaltungen zur Krankheit und Vorträge –wie der beim Digitalen Selbsthilfetag – führen zu einem besseren Verständnis der neurologischen Erkrankung.

Gruppenleiterin Petra Dewenter ergänzt um Tipps wie eine medikamentöse Prophylaxe, um die Lebensqualität zu erhöhen. Hilfreich ist es, die hohen Ansprüche und Erwartungen an sich und andere zu überprüfen und sie nicht zu hoch anzusetzen. Auch Nein-Sagen zu lernen ist wichtig. Zu Fragen über Hilfen gibt es in der Gruppe Unterstützung. Wie setzt man zum Beispiel am besten ein Schreiben für einen Aufenthalt in einer Migräneklinik auf? Die Bürokratie im Gesundheitssystem sorgt oft für Ärger und lange Wartezeiten.

„Wir sind aber keine Jammergruppe“, sagt Heike Lange, die gemeinsam mit Petra Dewenter die Gruppe im Team leitet. Neue Mitglieder oder Interessenten sind natürlich willkommen und können telefonisch oder über Mail Kontakt aufnehmen.

Online Vortrag: Migräne und Kopfschmerzen
Ein Online-Vortrag über Migräne und Kopfschmerzen von Dr. med. Veronique Mayer, Allgemeinmedizinerin und Schmerzspezialistin aufgezeichnet im Rahmen der Digitalen Hessischen Selbsthilfetage 2021 ist unter www.selbsthilfe-in-hessen.de jederzeit kostenfrei abrufbar.

• Der Vortrag dauert rund 45 Minuten, ist klar gegliedert, leicht verständlich und bietet ein gutes Basiswissen vor allem über die Migräne und den Spannungskopfschmerz.
• Die 200 verschiedenen Arten von Kopfschmerzen werden häufig in primäre und sekundäre unterteilt.
• Migräne ebenso wie Spannungskopfschmerzen sind primär: Sie sind eine eigene Erkrankung und nicht Folge einer anderen Krankheit.
• Kopfschmerzen allgemein sind immer ein Symptom einer anderen Grunderkrankung und deshalb sekundär.
• Häufigkeit und Ursachen der primären Kopfschmerzen werden beleuchtet – Migräne ist die häufigste primäre Kopfschmerzerkrankung, Spannungskopfschmerzen die zweithäufigste.
• Bei der Ursache von Migräne spielen genetische Faktoren eine Rolle.
• Die Referentin erläutert die Symptome von Spannungskopfschmerzen und der Migräne sowie der Aura – die manche Migräne-Kranke haben.
• Neben der medikamentösen Behandlung mit Schmerzmitteln und Triptane geht die Referentin auf die nicht-medikamentöse Prophylaxe ein. Neben Entspannung und Stressmanagement nennt die Schmerzspezialistin bei Migräne auch die Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe.

Mehr zur Gruppe finden Sie hier:
 Migräne Selbsthilfegruppe Kassel (Öffnet in einem neuen Tab)

Vortrag:  MIGRÄNE UND KOPFSCHMERZ – EINE ÜBERSICHT I VERONIQUE MAYER (Öffnet in einem neuen Tab)