Interview: Herz & Seele + Leben mit Defi & Herzschrittmacher

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2018

Ein Netzwerk gegen die Angst
Selbsthilfegruppen zu Herzkrankheiten bieten hilfreiche Informationen und Gemeinschaft

Eine Krankheit bringt viele Fragen, Sorgen und Ängste mit sich. Werde ich wieder gesund? Was bedeutet diese Krankheit für mich und mein Leben? Werde ich weiter gut leben können? Ist ein lebenswichtiges Organ wie das Herz betroffen, sind diese Ängste besonders groß. In Kassel bieten zwei Gruppen Hilfe an: „Herz und Seele“ gibt es seit 2001, diese Gruppe ist offen für alle Menschen mit Herzproblemen, vom Infarkt über Herzklappenerkrankung und Herzschwäche bis zu Herzrhythmusstörungen und Defibrillatoren. Die Gruppe „Leben mit Defibrillator oder Herzschrittmacher“ richtet sich speziell an Menschen, die solche Geräte eingesetzt bekommen haben oder eingesetzt bekommen sollen. Beide Gruppen sind offen für Angehörige.

Die Gruppe „Herz und Seele“ wird seit 2013 von Dagmar Hofmann geleitet. Sie litt an einer durch eine Chemotherapie ausgelösten Herzschwäche, 2011 wurde ihr ein neues Herz transplantiert. Bei ihrer Freundin und Unterstützerin, die seit 2017 Mitglied in der Gruppe ist, löste die Diagnose Herzmuskelerkrankung anfangs große Angst aus. Untersuchungen zeigten bei ihr eine zunehmend schwächere Herzleistung. „Bin ich bald tot?“, fragte sie sich. Dagmar Hofmann ist ein ganz anderer Typ. „Ich verdränge eher.“ Ihre Freundin hingegen sagt von sich, „ich will wissen, was los ist und brauche Klarheit.“ Die Selbsthilfegruppe habe ihre Ängste aufgefangen, erzählt sie weiter. Sie begegnete dort Menschen mit den gleichen Herzproblemen die bewiesen: Es kann besser werden, damit kann man leben. Die Erfahrungen durch die Gruppe und die daraus folgenden Informationen machten ihr Mut, nahmen Ängste und gaben Zuversicht.

Beispiel der anderen Betroffenen
Das Beispiel der anderen Betroffenen in der Gruppe relativiert die Angst und gibt Sicherheit: Man kann mit der Krankheit umgehen. Das beruhigt. Das trifft auch auf diejenigen zu, die einen Defibrillator implantiert bekommen haben. Horst Kramm leitet nach dem Tod seiner Frau die Gruppe „Leben mit Defibrillator und Herzschrittmacher“ alleine weiter. Er bringt zu den Treffen immer einen „Defi“ mit. Ihn zu sehen und anzufassen mildert die Sorge vor dem Unbekannten. Ein solcher „Defi“ oder ein Herzschrittmacher wird anfangs häufig als Fremdkörper im eigenen Körper empfunden. Manche freunden sich nur langsam mit dem Gerät an. Sie treffen in der Gruppe Betroffene, denen es gelungen ist, den „Defi“ als ihren Freund zu betrachten und erfahren, wie sie das geschafft haben.

Viele Betroffene haben Angst vor dem Auslösen des „Defis“. Ein heftiger Stromschlag, „den jeder anders beschreibt“, sagt Kramm. Die einen empfinden ihn wie das Boxen eines Pferdes, andere wie einen Schubs. „Ich hatte mehr Angst als meine Frau“, stellte Horst Kramm fest. Was mache ich, wenn der „Defi“ bei ihr auslöst? Das offene Gespräch in der Gruppe half. Andere berichteten, was sie in einem solchen Fall getan hatten und nahmen seine Fragen ernst. Das gab ihm Sicherheit und zeigte Handlungsmöglichkeiten auf. Das gilt ebenso für die vielen Fragen der Erkrankten: Was kommt bei einem Wechsel vom „Defi“ auf mich zu? Ist das, was ich fühle, schon Vorhofflimmern?

Verständnis für die Sorgen
Es erleichtert, wenn andere dieselben Ängste haben. Dagmar Hofmann weiß, wie wichtig das gegenseitige Verständnis ist. „Fragt eine Betroffene, ob sie sich noch die Treppe hochtrauen kann, wissen die anderen, wie sie sich fühlt“, erzählt sie. Schwierig sei eine Herzkrankheit für Alleinstehende. Zwei Alleinstehende in der Gruppe machten deshalb aus, sich täglich anzurufen. Das gab ihnen mehr Sicherheit im Hinblick auf ihre Sorge was passiert, wenn mal etwas passiert.

Linktipp:
 Information zu Defibrillatoren in Kassel und Umgebung (Öffnet in einem neuen Tab)

Mehr zur Gruppe Herz und Seele Selbsthilfegruppe für Herz-Kreislauferkrankte finden Sie  hier (Öffnet in einem neuen Tab)