KISS Interview: Epilepsie-Selbsthilfegruppe

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2022

Wie aus heiterem Himmel – Epilepsie
Neue Selbsthilfegruppe bietet Austausch von Informationen und Erfahrungen und will aufklären

In der neu gegründeten Epilepsie Selbsthilfegruppe Kassel werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten gesammelt, um sich besser kennen zu lernen. Es gibt viele verschiedene Arten von Anfällen – aber die Herausforderungen im Alltag mit der Erkrankung fühlen sich doch sehr ähnlich an. Die Leiterin von KISS hat die ersten zwei Gruppentreffen begleitet und berichtet vom Suchen und Finden einer gemeinsamen Basis.

„Merkst Du denn vorher, wenn Du einen Anfall bekommst?“ – das ist eine der spannenden Fragen, die die Mitglieder der neuen Epilepsie Selbsthilfegruppe Kassel in die Runde stellen, um sich kennen zu lernen. In der Gruppe berichten fast alle Teilnehmenden davon, dass Sie vor einem Anfall keine Anzeichen verspüren. Sie wissen noch wo sie waren, dann erinnern sie sich an nichts mehr und wachen nach dem Anfall im Krankenhaus wieder auf. Glück, wenn sie sich beim Sturz, als sie das Bewusstsein verloren, nicht verletzt haben. Gut, wenn jemand in der Nähe war, der sie davor bewahrt hat, sich beim Verkrampfen an Gegenständen aufzuschlagen.

Zahl der Anfälle reduzieren
Wichtig, zu Beginn der Erkrankung, dass jemand den Notarzt holt und dass im Krankenhaus eine gute Diagnostik stattfindet, damit Medikamente gefunden werden, die die Zahl der Anfälle reduzieren. Möglichst auf Null. Aber aus der Runde in der Gruppe erzählt nur einer, dass er schon seit ein paar Jahren keinen Anfall mehr hatte. Na ja, wer keine Probleme mehr hat, kommt auch nicht in die Gruppe. Die anderen Anwesenden müssen mit der Situation umgehen, dass es jederzeit, wie aus heiterem Himmel, passieren kann.

Alle sind selbständig zur Gruppe gekommen, haben ihre Wohnung und das Haus verlassen und sind allein unterwegs. „Anfangs, als ich die Diagnose neu hatte, war ich ganz verunsichert, was ich tun darf und was nicht“, sagt Vera, die Gruppengründerin. Wenn ich nicht übers Internet einen Bekannten mit Epilepsie gefunden hätte, der mir Mut gemacht hat, ich hätte mich ganz zurückgezogen. Jetzt möchte sie die Erfahrung unterstützt zu werden in der Gruppe an andere weitergeben. Außerdem hat sie auf Instagram eine Seite eröffnet unter leben_mit_epilepsie. Da stellt sie Fragen in die Runde und regt zum Austausch der Follower in den Kommentaren an.

Bärbel erzählt, dass sie allein lebt, aber zweimal die Woche in den Nachbarschaftstreff zum Mittagessen geht. Dort kennt man sie schon lange Jahre und unterstützt sie auch. Kleine Routinen sind wichtig, nicht so viel Aufregung und Stress. Das ist nicht nur so daher gesagt, da sind sich alle einig, dass das wirklich hilft.

Lernen wird schwieriger
Es ist so toll, in der Gruppe Menschen zu finden, die verstehen, von was man spricht. Zum Beispiel, dass es nicht mehr so einfach ist wie früher, sich zu konzentrieren und Dinge zu lernen. Auch dazu braucht man Mut und Ausdauer, um wichtige Ziele im Leben weiter anzustreben. Zum Beispiel den Abschluss einer Lehre oder den Führerschein. Autofahren darf man, wenn man ein Jahr lang anfallsfrei war. Das muss der Arzt bescheinigen. Aber für die Führerscheinprüfung muss man erstmal büffeln. Ob es vielleicht hilfreiche Tricks beim Lernen gibt, um sich besser zu konzentrieren? Der Frage soll bis zum nächsten Treffen mal nachgegangen werden. Gute Beispiele gibt es. In der Runde sitzen auch Teilnehmer, die es geschafft haben, ein Studium abzuschließen, Auto zu fahren und berufstätig zu sein.

Rückzug von Freunden
Egal, ob um die dreißig oder über sechzig Jahre alt – ein großes Thema ist der Rückzug von Freunden und Bekannten, wenn die Epilepsie bekannt wird. „Meine Eltern möchten nicht, dass sich im Dorf herumspricht, dass ich Epilepsie habe“, sagt eine Teilnehmerin. „Da sind doch gleich Vorurteile im Kopf die so in die Richtung gehen: Epilepsie – ist das nicht so was mit geistiger Behinderung im Kopf?“ Nein, so ist das eben nicht. Menschen mit geistiger Behinderung können auch Epilepsie haben, aber Epilepsie führt nicht automatisch zu geistiger Behinderung. Gut, dass es den Landesverband der Epilepsie Selbsthilfe Hessen gibt. Der hat Broschüren herausgegeben, die auf dem Tisch beim Gruppentreffen ausliegen. Jeder kann sich davon eine mit nach Hause nehmen und Wissenswertes nachlesen.

Vera, die Gruppengründerin, möchte nicht nur die Gespräche in der Gruppe und die Kontakte nicht mehr missen, sondern auch die Leute über Epilepsie aufklären. Deshalb hat sie sich mit einem Infostand beim Selbsthilfetag angemeldet. Wichtig ist ihr, dass die Menschen sich nicht scheuen zu helfen, wenn jemand einen epileptischen Anfall hat. Wie man das richtig macht, zeigt ein Schaubild des Landesverbandes Hessen der Deutschen Epilepsievereinigung, siehe auch die u. a. Links. Carola Jantzen

Weitere Infos zu Epilepsie
Es gibt ganz verschiedene Arten von epileptischen Anfällen, die Bandbreite geht von kleinen geistigen Abwesenheiten oder Zucken einzelner Gliedmaßen bis hin zum großen Anfall mit Bewusstlosigkeit und Verkrampfen des ganzen Körpers. Gemeinsame Ursache ist eine Funktionsstörung der Nervenzellen der Hirnrinde. Weitere Informationen zu Epilepsie findet man auf der Seite der Deutschen Epilepsievereinigung, Landesverband Hessen unter  www.epilepsie-sh-hessen.de (Öffnet in einem neuen Tab).

Mehr zur Gruppe finden Sie hier:
 Epilepsie Selbsthilfegruppe Kassel (Öffnet in einem neuen Tab)
 Erste Hilfe bei Epilepsie, siehe Schaubild (Öffnet in einem neuen Tab)