Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2020
Unabhängig in der Region aktiv
Seit 20 Jahren gibt die Diabetes Selbsthilfe Nordhessen Praxiswissen weiter
Diabetes ist zwar gut zu behandeln, erfordert allerdings 24 Stunden am Tag ein persönliches Management durch die Betroffenen. Die an Diabetes Erkrankten haben relativ früh erkannt, dass es mit der medizinischen Behandlung allein nicht getan ist. Praxisferne Therapieanweisungen sorgten für Frust oder Angst, die Betroffenen fühlten sich oft allein. Der Wunsch nach Austausch untereinander kam auf, teilweise war wohl auch die beginnende Skepsis gegenüber den Medizinern ein Auslöser. Ab 1965 gründeten sich in Nordhessen erste Diabetes-Selbsthilfegruppen, auch wenn der Begriff Selbsthilfegruppe noch weitgehend unüblich war.
Mitte der 80. Jahre wollte sich eine Gruppe Aktiver verstärkt den vielfältigen Aufgaben widmen. Die Strukturen überregionaler Diabetiker-Vereine stellten sich als hinderlich heraus, um die Ziele für die Menschen in der Region zu erreichen. Die Aktiven in Nordhessen übernahmen deshalb die Arbeit eigenverantwortlich und gründeten nach 15 Jahren praktischer Arbeit am 30. Januar 2000 die Diabetes Selbsthilfe Nordhessen als eingetragenen Verein im Ständehaus in Kassel mit damals zehn Personen. Heute hat der Verein etwa 130 Mitglieder – Betroffene und Förderer.
Für den Erfolg der vergangenen 20 Jahre gibt es viele Gründe. So ist der Verein eine überschaubare Einheit mit schlanker Struktur und wenig Verwaltungsaufwand. Die jeweiligen Stärken der Mitglieder können effektiv genutzt werden und die Mitglieder kennen sich untereinander. Dadurch herrscht in den Gruppen eine persönliche und vertrauensvolle Atmosphäre. Im Laufe der Jahre sind Freundschaften entstanden, manche Gruppenmitglieder sind seit 20 Jahren dabei.
Ein Vorteil der regionalen Struktur ist die Unabhängigkeit von übergeordneten Vereinen und Anbietern des Gesundheitswesens und -marktes. Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel bleiben in der Region und kommen hiesigen Betroffenen zugute. Die auf die Region begrenzte Arbeit ermöglicht eine intensive Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswesen, mit Ämtern und politischen Institutionen. Netzwerke und Strukturen entstanden, die im Interesse der erkrankten Menschen genutzt wurden und werden. Bei Bedarf wird der Verein auch auf überörtlicher Ebene tätig. Übergeordnetes Ziel aller Aktivitäten war und ist die Hilfe von Menschen für Menschen.
Die Diabetes Selbsthilfe Nordhessen sieht ihre Arbeit grundsätzlich als Ergänzung zur medizinischen Behandlung. Sie hilft bei persönlichen Angelegenheiten, die Betroffenen tauschen ihre Erfahrungen aus. Dazu kommen über die Jahre etliche Vorträge von Fachleuten, die sich an alle an Diabetes Erkrankte in Nord- und Mittelhessen richteten und so deren Wissen und Kompetenz stärkten. Damit hat es der Verein ermöglicht, trotz der rasanten Entwicklung der Behandlung des Diabetes auf dem neuesten Stand zu bleiben. Zum Weltdiabetestag am 14. November organisiert der Verein seit ebenfalls 20 Jahren einen „Markt der Möglichkeiten“, der neben Vorträgen, Workshops, Industrieausstellung und Austausch die Gelegenheit bietet, die aktiven Mitglieder kennenzulernen. 2020 musste die Veranstaltung coronabedingt ausfallen. Vor ein paar Jahren ist es gelungen, den Vorstand des Vereins zu verjüngen, damit die Arbeit fortgeführt werden kann. Wie sie sich in Zukunft entwickelt, wird sich zeigen.
Klaus Seitz, stellv. Vorsitzender der Diabetes Selbsthilfe Nordhessen
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