KISS Magazin: Blaues Kreuz Jubiläum

Interview im KISS Selbsthilfemagazin 2020

Sucht-Selbsthilfe seit über einem Jahrhundert
Das Blaue Kreuz in Kassel wird dieses Jahr 125 und will das Jubiläum nachfeiern

Im Oktober 1895 gründete Pfarrer Ernst Wittekind gemeinsam mit einigen Frauen und Männern den Kasseler Blau-Kreuz-Verein. Dieses Jahr wird das Blaue Kreuz 125 Jahre alt und sieht es seitdem als Hauptaufgabe, Menschen in ein zufriedenes Leben ohne Suchtmittel zu begleiten. Zu Beginn traf man sich in angemieteten Räumen, doch angesichts eines wachsenden Bedarfs entstand in der Schillerstraße ein eigenes Haus, das 1902 eingeweiht wurde. Drei Jahre später kam ein Gartengrundstück an der Fulda dazu, eine Art „Naherholungsgebiet“, 1906 ein Männerwohnheim. In einer Kaffeestube versorgte der Verein über 100 Gäste täglich mit Mittag- und Abendessen, denn in der Altstadt spielte das Alkoholproblem eine große Rolle.

Der Nationalsozialismus erschwerte die Arbeit der christlich gepräg­ten Gemeinschaft, viele Aktivitäten mussten eingestellt werden, die Mitarbeiter mussten in den Kriegs­dienst. 1939 zerstörten Bomben die Gebäude. Zaghaft startete der Verein nach 1945 neu, baute aus Spenden das Gebäude in der Schillerstraße bis 1954 wieder auf. Doch dann musste das Grundstück in der Schillerstraße geräumt werden, der Umzug in die Landgraf-Karl-Straße 22 erwies sich im Nachhinein als segensreich. Reha-Heim, Beratungsstelle, Betreutes Wohnen und eine Fachklinik entstanden. Sie wurden später von der Baunataler Diakonie übernommen, Fachklinik und Beratungsstelle mussten aus finanziellen Gründen schließen. 

Die Selbsthilfegruppen blieben der Kern des Vereins. Die Hilfe vieler haupt- und ehrenamtlicher Men­schen ermöglichte die Arbeit mit Suchtkranken und deren Angehörigen. Die christliche Nächstenliebe und das christlich geprägte Men­schenbild gehörten von Beginn an zum Selbstverständnis des Vereins. Ziel ist es, „anderen Menschen zu helfen, aus der Sucht herauszukommen und zu zeigen, dass eine zufriedene Abstinenz möglich ist“, so Uwe Schmuck, zuständig für die Öffent­lichkeitsarbeit. Dabei sind die Gruppen offen für alle Menschen, egal ob und welchen Glauben sie haben.

Im Laufe der vergangenen Jahre sind die Gruppen offener geworden. Stand früher nur der Alkohol im Mittelpunkt, finden heute Menschen mit allen Suchtproblemen Hilfe in den Gruppen. Auch die Zahl der Teilnehmenden mit Mehrfachabhängigkeit steigt. Die Abstinenz ist Ziel, aber keine Voraussetzung für den Besuch der Gruppe, Hilfesuchende sollten aber nicht betrunken in die Gruppe kommen. 

Gab es früher viele Freizeitangebote vom Verein, so sind sie heute in den Gruppen angesiedelt. Alle zwei Jahre wird eine gemeinsame Fahrt angeboten. Aufsuchende Hilfen – also Besuche in den Familien – mussten wegen fehlender ehrenamtlicher Helfer eingestellt werden, doch wenn ein Gruppenmitglied in Not ist oder einen Rückfall hatte, werden die Betroffenen aufgesucht und abgeholt. Die Prävention ist dem Verein wichtig, so gehen Mitarbeiter in Schulen und klären dort auf, um Sucht möglichst früh zu verhindern.

Die Arbeit des Blauen Kreuzes findet heute im Verbund mit anderen An­bietern im Hilfe-System statt, von der Fachklinik bis zur Psychiatrie und den Beratungsstellen. Das Ansehen der Sucht-Selbsthilfe ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, sagt Uwe Schmuck.

Die große Jubiläumsfeier war für den 25. Oktober geplant, doch sie muss coronabedingt ausfallen. Geplant ist aber, in diesem oder nächstem Jahr im kleinen Kreis das 125jährige Bestehen des Vereins zu feiern.

Mehr zu den Gruppen finden Sie hier:
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 Angehörigengruppe (Öffnet in einem neuen Tab)