Dr. Eva-Maria Schulz-Jander ist jetzt Kasseler Ehrenbürgerin

Dr. Eva-Maria Schulz-Jander ist zur neuen Ehrenbürgerin der Stadt Kassel ernannt worden. Das hat die Stadtverordnetenversammlung auf Vorschlag des Magistrats einstimmig entschieden.

In seiner Laudatio würdigte Oberbürgermeister Christian Geselle die Verdienste Dr. Schulz-Janders: „Unsere Stadtgesellschaft hat Ihnen nicht nur sehr viel zu verdanken, sie haben diese auch wesentlich und in unvergleichlicher Weise mitgeprägt, indem Sie sich seit Jahrzehnten für ein tolerantes und respektvolles Miteinander – gleich welcher Religions- oder Kulturzugehörigkeit eingesetzt haben. Ihr herausragendes Wirken hat das kulturelle Leben unserer Stadt auf vielfältigen Gebieten unglaublich bereichert. Sie haben das kulturelle Gedächtnis unserer Stadtgesellschaft und auch die Neugestaltung und Weiterentwicklung des jüdischen Lebens in Kassel und unserem Land wesentlich mitgeprägt.“

Kassels neue Ehrenbürgerin habe es verstanden, Menschen zu verbinden und ganz vielfältig zur interkulturellen Verständigung beizutragen, hob Oberbürgermeister Geselle hervor: „Sie haben es auf Ihre besondere Weise vermocht, nach dem Zivilbruch der Shoa für die Versöhnung zwischen Juden und Nichtjuden in unserem Land einzutreten. In Ihrer Person repräsentieren Sie geradezu den christlich–jüdischen Dialog.“

Familie entkam nur knapp der Ermordung durch die Nationalsozialisten

Dr. Eva-Maria Schulz-Jander wurde 1935 in Breslau geboren, die Familie entkam nur knapp der Ermordung durch die Nationalsozialisten. Ihr jüdischer Vater überlebte die Inhaftierung in den Konzentrationslagern Buchenwald und Sachsenhausen, ihre katholische Mutter die Qualen der Zwangsarbeit.

Die traumatischen Erfahrungen in jungen Jahren durch Verfolgung, Flucht und Vertreibung habe Dr. Schulz-Jander später zu einem „segensreichen und nachhaltigen Engagement motiviert“, sagte Geselle.

1950 wanderte die Familie in die USA aus. Dort studierte und promovierte Dr. Schulz-Jander Romanistik und Philosophie. Nach Deutschland kehrte sie 1967 zurück und ließ sich mit ihrem späteren Mann Burkhard Schulz-Jander zunächst im Breisgau nieder. Dort begann sie eine akademische Laufbahn an der Universität Freiburg und brachte zwei Kinder zur Welt.

1975 kommt Dr. Schulz-Jander nach Kassel

Im Jahr 1975 führte der Weg von Dr. Eva Schulz-Jander nach Kassel. Dort wurde die Volkshochschule zu ihrer beruflichen Heimat, an der sie seit inzwischen 44 Jahren Kurse unter anderem für Englisch, moderne Literatur und Frauenfragen anbot und noch immer anbietet. Sie moderierte unzählige Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen zu Themen des Nationalsozialismus‘, zur Geschichte Israels, dem Nahostkonflikt, zu Religionswissenschaft und Philosophie oder zu Aspekten des jüdischen Lebens.

1991 schließlich wurde Dr. Eva-Maria Schulz-Jander Geschäftsführerin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Diese Tätigkeit übte sie 22 Jahre mit viel Engagement und Herzblut aus.

Während dieser Zeit wurde sie 1995 in den Vorstand des Deutschen Koordinierungsrates der bundesweit 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit berufen. Von 2001 bis 2016 hatte Dr. Eva-Maria Schulz-Jander das Amt der Katholischen Präsidentin inne. In diesen Funktionen war sie unter anderem maßgeblich an der Organisation der jährlich bundesweit stattfindenden „Woche der Brüderlichkeit“ beteiligt, die der Verständigung zwischen Juden und Christen sowie der Aufarbeitung des Holocaust dient.

Vielfältige kulturelle und wissenschaftliche Arbeit

Darüber hinaus war sie Mitbegründerin des Runden Tisches der Kulturgesellschaften und arbeitete im Kasseler Kulturforum mit. Maßgeblich war auch ihr Anteil an der Veranstaltungsreihe und Buchveröffentlichung „Erinnern und Erben in Deutschland“. Hervorzuheben ist weiterhin die Forschungsarbeit in Kooperation mit der Universität Kassel und der Jüdischen Gemeinde über den Kasseler Religionsphilosophen Franz Rosenzweig, dem Dr. Eva-Maria Schulz-Jander ein Buch widmete.

„Das, was, Bildung ausmacht, ist die Öffnung des Geistes“ – so lautet ein Zitat von Dr. Eva-Maria Schulz-Jander, an das Oberbürgermeister Geselle zum Abschluss seiner Laudatio erinnerte. „Mit ihrem so vielfältigen Engagement, ihrem wachen Verstand, ihrem großen Wissen, ihrer Sicht als Weltbürgerin, aber auch ihrer Begeisterungs- und Kommunikationsfähigkeit gelang und gelingt es Dr. Eva-Maria Schulz-Jander immer wieder auf vorbildliche Weise, Türen und Wege zu öffnen, um Menschen zueinander, zum Nachfragen und Nachdenken zu bringen.“

Hintergrund –Kasseler Ehrenbürger seit 1830

In § 28 Hessische Gemeindeordnung (HGO) heißt es: „Die Gemeinde kann Personen, die sich um sie besonders verdient gemacht haben, das Ehrenbürgerrecht verleihen.“ Unter den bisher 42 Ehrenbürgern, die seit 1830 von der Stadt Kassel ernannt wurden, sind der erste Oberbürgermeister Karl Schomburg und der Komponist Louis Spohr. Vor Dr. Eva-Maria Schulz-Jander sind bislang erst drei Frauen mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet worden: die Schriftstellerin Christine Brückner, die Holocaust-Überlegende Sara Nussbaum sowie die Juristin und Politikerin Dr. Elisabeth Selbert.

Zuletzt hat die Stadtverordnetenversammlung das Ehrenbürgerrecht im Jahr 2010 verliehen. Damals wurden der Hessische Minister Hans Krollmann, Jochen Lengemann, Präsident des Hessischen Landtags, sowie Richard Wurbs, Vizepräsident des Deutschen Bundestags, für ihre Verdienste gewürdigt.